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Der Maya-Kalender - die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur

Titel: Der Maya-Kalender - die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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drängte sich als wirksamstes Propagandainstrument geradezu auf, um das Legitimitätsproblem ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen. Wie auch immer, als neuer König bemühte er noch stärker das kalendarische Zauberkästchen: Pakals Sohn schreibt diese Familiengeschichte nämlich noch erheblich weiter zurück, in mehreren Relieftafeln der sogenannten »Kreuzgruppe« von Palenque, die Kan Balam ein paar Hundert Meter östlich des väterlichen Grabmals auf der anderen Seite des schmalen Rio Otulum errichten ließ. Diese drei Tempel gehören zu den berühmtesten und hochwertigsten Gebäudeensembles der Maya-Klassik überhaupt.
    Auf einer der Relieftafeln, deren Bildsprache ganz im Zeichen der Legitimität des neuen Königs steht, stellt Kan Balam im Allerheiligsten des Kreuztempels die mythische und die historische Zeit nebeneinander, denn sie gehören nach dem Herrschafts- und Zeitverständnis der Maya ebenso untrennbar zusammen wie Religion oder Mythos und Politik. Und diesen Zusammenhang nutzt der neue König, um seinen Machtanspruch zu untermauern – und greift dabei tief in die kalendarische Trickkiste.

    Kreuztempelrelief, Palenque

    Ein kundiger und des Lesens mächtiger Betrachter verfolgte zunächst auf der linken äußeren Seite neben der kleineren der beiden Figuren, die entweder König Pakal oder seinen Sohn als eben gekürten Kronprinzen darstellt, einen ermüdend langen, hier nichtabgebildeten Text. Darin ist von Ereignissen lange vor Menschengedenken die Rede, als 754 Jahre nach dem Schöpfungsdatum 3114 v. Chr. innerhalb von 18 Tagen die Urgötter die sogenannte Göttertriade von Palenque hervorbrachten, die Kan Balam hier als Vorfahren reklamiert. Erwähnt sei, dass der Vater der Göttertriade derjenige Gott ist, der zu Beginn der gegenwärtigen Schöpfung Raum und Zeit erschuf, und ein weiterer Gott der palenquinischen Dreifaltigkeit als einer der Heldenhaften Zwillinge identifiziert werden kann. Ansonsten ist die Zuordnung der Göttertriade von Palenque noch immer umstritten, zumeist werden wenigstens Sonne und Venus klar zugeordnet.
    Zum Zeitpunkt der Feierlichkeiten, die in den Texten dann beschrieben werden, gab es tatsächlich eine dreifache Planetenkonstellation am Nachthimmel, allerdings gebildet von Saturn, Mars und Jupiter im Sternbild des Skorpions. In einer Reihe waren die drei am Nachthimmel klar erkennbar, später in der Nacht gesellte sich der Mond dazu, noch nicht ganz voll: im Osten Saturn, im Westen Mars, als hellster der drei in der Mitte Jupiter, den Kan Balam zu seinem persönlichen Schutzheiligen erhob. Und schließlich versanken sie am Horizont über dem Tempel, der Pakals Grab verbarg – auch das ein wichtiger Aspekt mit politischer Wirkmacht, denn die drei Sterne standen für die Schutzgötter des Herrschertums von Palenque und adelten mit ihrer Reverenz vor dem großen Pakal ebenso dessen Sohn und Nachfolger. Gleichzeitig war es die Ankündigung von Pakals Himmelfahrt: Denn so wie die Sterne nach ihrem Untergang und dem Kurs durch Xibalba wieder am Nachthimmel ihren Platz einnahmen, besuchte auch der verstorbene König die Unterwelt nur, um dann in den Götterhimmel aufzusteigen und im Sternenzelt ein weiteres Lichtlein abzugeben.
    Dass dieses Himmelsschauspiel von den drei Göttern höchstpersönlich anberaumt war, die sich dort zeigten, dürfte für alleAnwesenden zweifelsfrei festgestanden haben. Hätten Kan Balam und seine astronomischen und politischen Berater die Gelegenheit verstreichen lassen, sich diese seltene Konjunktion zunutze zu machen – sie hätten ihr Geschäft nicht verstanden, weder politisch noch astronomisch noch religiös.
    Kan Balam war zweifellos Zeuge dieses Himmelsschauspiels, das nach unserem Kalender Mitte Juli 690 stattfand. Wir können uns vorstellen, dass ein solches Ereignis zum großen Spektakel geriet. Und wir dürfen des Weiteren davon ausgehen, dass dem König von Palenque ganz besonders feierlich zumute war, weil ihn als Direktverbindung zum Himmel dieses seltene Schauspiel mehr als alle anderen Anwesenden betraf. Drei Tage dauerten die Festlichkeiten, die wohl kaum nur in einer kollektiven andächtigen Himmelsschau bestanden. Alles spricht dafür, dass zu diesem Event Rituale vollzogen wurden, Märkte abgehalten wurden – und dass von nah und fern die Menschen nach Palenque strömten und sich auch darin die Legitimität des Königs bestätigte.

    Die kalendarische Machtrechtfertigung beginnt früh: einige Jahre vor der

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