Der Medicus von Heidelberg
können.
De Berka zog scharf die Luft durch die Zähne, sagte aber nichts. Ich machte den zweiten Schnitt zum Kreuz und drückte an den Rändern der Beule. Eine schleimige gelbliche Masse quoll aus der Wunde. De Berka verkrampfte sich trotz des Laudanums. Ich wollte ihm sagen, dass alle gut verliefe, war aber viel zu sehr damit beschäftigt, alles richtig zu machen. Ich drückte weiter, bis nur noch Blut und Sekret hervorkamen, und atmete erst einmal durch. Doch ich gönnte mir kaum Zeit, denn ich wusste nicht, wie lange die schmerzdämpfende Wirkung des Laudanums anhalten würde.
Ich tupfte die operierte Bubone sauber und machte mich an die zweite. Später schaute ich mir die Geschwülste am Hals an und schnitt dort weitere auf.
Ich weiß nicht, wie lange ich insgesamt zu Werke ging, ich weiß nur noch, dass ich alles um mich herum vergaß und dass mir am Ende der Rücken höllisch weh tat.
»Als Nächstes werde ich Euch ein Kollyrium bereiten«, sagte ich.
»Ein Kollyrium? Könnt Ihr das überhaupt?«, fragte de Berka.
»Gewiss«, antwortete ich, obwohl ich mir keineswegs sicher war. Doch ich wusste, woraus sich ein wirksames Augenpflaster zusammensetzt, um die Entzündung der Bindehäute zu heilen. Ich benötigte dazu als Hauptbestandteil Blei, dazu Alraune sowie Arnika- und Holunderblüte in pulverisierter Form. Alles hatte ich im Schrank des Behandlungsraums gefunden. Ich zerstieß die Pflanzen in einem Mörser und stellte zusammen mit dem Blei das Pflaster daraus her. Ich legte es de Berka auf beide Augen und sagte: »Ihr müsst ruhig liegen. Versucht zu schlafen.«
Er antwortete nicht. Die Operationen schienen ihn sehr mitgenommen zu haben.
Ich verließ abermals das Krankenzimmer, diesmal, um die Küche zu suchen. Sie befand sich wegen der Feuergefahr in einem separaten Anbau, und es stellte sich heraus, dass sie wie alle anderen Räume verwaist war. Dennoch fand ich ein wenig Glut in der Kochstelle, was es mir erleichterte, mit ein paar Scheiten die Flammen anzufachen. In dem Kessel darüber versuchte ich, eine stärkende Suppe zu kochen. Ich nahm dazu, was ich in der Vorratskammer fand: Möhren, Sellerie, eingelegten Kohl. Dazu schnitt ich ein Stück Schinken in Würfel, die ich ebenfalls hineintat. Schnapp, der aufmerksam jede meiner Tätigkeiten verfolgte, bekam eine Portion von dem Schinken ab. Er war ein großer Hund, der viel Futter brauchte.
Als die Suppe kochte, probierte ich vorsichtig davon und kam zu dem Schluss, dass sie leidlich genießbar war. Auf köstlichen Geschmack konnte ich keinen Wert legen, wichtiger waren die stärkenden Kräfte. Ich füllte eine Schüssel mit der Suppe und trug sie zu de Berka. »Es gibt etwas zu essen«, sagte ich betont munter und stellte die Suppe auf dem Rosenholztischchen ab. »Ich bin zwar kein Meisterkoch, aber …«
Ich hielt inne, denn de Berka weinte bitterlich.
»Was ist mit Euch?«, fragte ich bestürzt. »Esst von der Suppe, sie wird Euch stärken. Noch ist nichts verloren.«
De Berka schluchzte weiter.
»Ihr habt das Kollyrium von Euren Augen genommen. Das dürft Ihr nicht.« Ich wollte fortfahren, dass er mich in meinen Bemühungen unterstützen müsse, sonst sei alles vergebens, doch dann sah ich es: De Berka hatte das Bett vollgemacht.
Ich schluckte. Einen Augenblick lang fehlten mir die Worte. »Na und?«, sagte ich dann. »Jeder von uns muss sich mal erleichtern. Ihr habt es im Bett getan, weil Ihr zu schwach seid, aufzustehen.«
»Es ist … mir so peinlich …« De Berka rang um Fassung.
»Schon gut. Jetzt solltet Ihr erst einmal essen.« Ich hob und zog ihn in eine halbwegs sitzende Position, heraus aus seinem Schmutz, und begann, ihn zu füttern. Bereits nach drei Löffeln sank sein Kopf kraftlos zur Seite. »Ich kann nicht mehr«, flüsterte er traurig.
»Ihr könnt nachher weiteressen«, tröstete ich. »Das Bett muss frisch gemacht werden. Ich werde Euch in den Sessel neben dem Rosenholztischchen setzen.« Doch das war leichter gesagt als getan, denn mein Patient war ein kräftiger Mann. Immerhin schaffte ich es nach zwei Anläufen. Ich verließ den Raum und ging in den Innenhof, wo ich an der Pumpe zwei große Holzeimer füllte. Mit Hilfe eines Tragejochs schaffte ich das Wasser ins Haus. Ich füllte einen Krug mit dem kühlen, frischen Nass und kehrte zu de Berka zurück. »Nehmt das«, sagte ich und schenkte ihm einen Becher ein. »Ihr müsst viel trinken.«
Gehorsam nippte er an dem Wasser. »Ich möchte mich wieder
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