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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Mehl verkaufen, das an der Mehlwaage nicht versteuert und überprüft worden war. Eigens bestellte Wieger waren es, die das Gewicht der Säcke und den sauberen, trockenen Zustand ihres Inhalts kontrollierten. Für ihre Arbeit wurden sie vom Wiegegeld bezahlt.
    Da Heidelberg eine blühende Stadt war, ging es der Mehrzahl seiner Einwohner gut. Und weil es ihnen gutging, profitierten auch die Bäcker und Metzger davon. Dennoch gab es zuweilen Streit zwischen den beiden Zünften, denn den Bäckern war es erlaubt, ein Fleischlädlein an der Heiliggeistkirche zu betreiben, wo sie die Würste, Schinken und Pasteten der von ihnen gehaltenen Schweine verkauften – ein ständiger Dorn in den Augen der Metzger.
    Es war genau festgelegt, welche Berufszweige ihren Verkaufsstand zwischen den begehrten Strebepfeilern haben durften. Wer nicht das Glück hatte, dort Handel treiben zu können, musste wie so mancher Handwerker an seinem Werkstattwagen eine Klapplade anbringen, die als Verkaufsfläche diente.
    Auch lebendes Vieh und Geflügel wurde lautstark feilgeboten. Auf dem Platz lag sehr viel Mist herum, und kleine Jungen mit Kehrschaufeln wieselten hin und her und nahmen ihn auf, um ihn anschließend sofort zu verkaufen, denn der Mist war als Dünger sehr begehrt. Eine Zeitlang sah ich ihnen zu und fragte mich zum wiederholten Male, wo mein kleiner Botenjunge steckte. Der Triller und der Schandpfahl waren an diesem Morgen leer. Ein paar Gaukler und Jongleure versuchten, in den Marktecken ein paar Münzen zu ergattern, ebenso wie die allgegenwärtigen Bettler.
    Ich ging wie üblich ein paarmal um die Kirche herum, immer Ausschau haltend und die Ohren aufsperrend, denn wenn es eine Neuigkeit in der Stadt gab, dann hörte man zuerst auf dem Markt davon.
    Doch ich sah und hörte nichts. Das einzig Nennenswerte, was ich erfuhr, war nicht mehr neu. Es war die Nachricht, dass der Krieg zwischen Ruprecht und dem Bayernherzog Albrecht ein Ende gefunden hatte. Ein Reichstag war vor anderthalb Monaten in Köln abgehalten worden, auf dem der römisch-deutsche König Maximilian einen Schiedsspruch verkündet hatte. Danach sollten die Waisen von Ruprecht und Elisabeth, die Kinder Ottheinrich und Philipp, das Herzogtum Pfalz-Neuburg erhalten – als Entschädigung für Bayern-Landshut. Die restlichen Grenzen sollten wie zuvor verlaufen. Das war schon alles. Ich schüttelte den Kopf. Dafür waren Zehntausende von Menschen gestorben, zahllose Dörfer abgebrannt und ganze Landstriche verwüstet worden? Ich verstand es nicht. Ich würde es nie verstehen, warum Menschen sich gegenseitig erschlugen, nur um noch reicher und mächtiger zu werden.
    Eine helle Stimme unterbrach jählings meine Gedanken. Sie erklang direkt hinter mir: »Heute ist Freitag, und Freitag ist Fischtag, Herr!«
    Ich fuhr herum und erblickte einen Fischer und seinen Stand. Das Meeresgetier glänzte silbern im Sonnenlicht, doch es war nichts gegen das Glänzen in den Augen des Mannes. Er rief: »Ich kann heute mit einem besonders schönen Exemplar dienen, Herr, einem echten Pisculus Caerulus!«
    Ich schaute verdutzt drein. Dann dämmerte es mir langsam, die Stimme des Mannes kam mir bekannt vor. »Piscu…?«, murmelte ich.
    »Pisculus Caerulus.« Das Grinsen des Mannes reichte von einem Ohr zum anderen.
    »Großer Gott, Fischel!«, rief ich. »Bist du es wirklich?«
    Wir fielen uns in die Arme und schwiegen eine Weile. Dann löste ich mich von Fischel und sagte: »Ich habe dich nicht gleich erkannt. Du siehst ganz anders aus als damals in Basel. Trägst einen Bart wie ein Walross.«
    Fischel lachte.
    »Und du riechst auch so. Nach Fisch.«
    »Wie sollte ich nicht nach Fisch riechen, wenn ich den ganzen Tag in den Viechern herumwühle. Ich bin Fischer.«
    Ich staunte.
    Fischel grinste wieder. »Es liegt doch nahe, dass jemand, der Fischel heißt, auch Fischer ist, wie?«
    »Und dein Studium?«
    »Hängt irgendwo am Nagel. Aber das ist eine längere Geschichte. Warte mal …«
    Eine dicke Heidelberger Bürgersfrau hatte sich zwischen uns geschoben und fragte ihn, was er zu bieten habe.
    »Nun, gute Frau, alles, was der Fluss hergibt!«, rief Fischel in seiner lebhaften Art. »Schöne Barben, billige Güster, ein paar hübsche Zander, einen prächtigen Karpfen, allerdings: Der wiegt so viel wie ein Kind, da müsste Eure halbe Nachbarschaft beim Essen mithalten.«
    »Das will ich nicht.« Die Dicke schien nicht zu Späßen aufgelegt.
    »Hier hätten wir noch einen Korb mit

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