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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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und Wohlgemuth,
    mit Mausöhrlein und Braunellen,
    mit Quendel, Haberstroh und Bromberstauden:
    Man schneide alles klein, tue es in einen Sack,
    gebe den Sack ins Wasser und lasse die Frau
    an zehn oder zwölf Tagen darin baden,
    nicht zu heiß, alle Tage eine Stunde lang …«
    So trug er vor, und die Eifrigen unter den Studiosi versuchten, alles mitzuschreiben. Auch ich tat es, denn es war das Erste an diesem Tag, was für eine tätige Behandlung taugen mochte.
    Anschließend kam Koutenbruer auf die Verfasser der
Heidelberger Pharmakopöen
zu sprechen, auf einen gewissen Erhard Knab, unter dessen Federführung die beiden Ausgaben in den Jahren 1469 und 1471 erschienen waren, sowie auf die gelehrten Herren Bartholomaeus Etten und Konrad Schelling, die ihn bei seiner Arbeit unterstützt hatten.
    Koutenbruer unterbrach für einige Atemzüge seine Rede, räusperte sich angelegentlich, denn einigen der Studiosi war der Kopf auf die Brust gesunken, registrierte zufrieden, wie sie aufschreckten, und setzte seinen Vortrag fort, indem er näher auf den erwähnten Erhard Knab einging.
    Knab, so versicherte er, sei einer der hochverdienten Mediziner, die an der Ruperto Carola gewirkt hätten. Sein Werk, das heute wie gestern von hoher Gegenwärtigkeit sei, ließe sich am besten in die Beiträge zur
Theorica
und
Practica
gliedern.
    Besondere Beachtung verdiene ferner das umfangreiche
Handbuch der medizinischen Praxis,
welches einen gründlichen Überblick über die Wundarzneikunst vor allem nach Guy de Chauliac vermittle, zugleich aber auch ein Hinweis darauf sei, wie eng vormals Medizin und Chirurgie verbunden gewesen seien.
    Koutenbruer schwieg unverhofft, was einige Köpfe abermals hochschrecken ließ, und fügte mit einem dünnen Lächeln hinzu: »Heute sind wir weiter als damals Guy de Chauliac und seine Zeitgenossen. Es hat sich durchgesetzt, dass es zweierlei Arten der Behandlung gibt – die mit der Hand und die mit dem Kopf. Wobei die mit dem Kopf, also die Erkenntnis der Zusammenhänge im Körper, das Wissen um die einzelnen Funktionen darin und die Fähigkeit, aus dem Verhalten der Säfte die richtigen Schlüsse zu ziehen, die bedeutsamere ist. Denn die geschickteste Hand ist wertlos, wenn der Verstand ihr nicht sagt, was sie zu tun hat.«
    Dieser These mochte ich nicht zustimmen, sie war mir zu einseitig. Deshalb meldete ich mich und wandte ein: »Ist es nicht so, dass umgekehrt ein Schuh draus wird, Herr Professor: dass der klügste Kopf nichts nützt, wenn die ausführende Hand nicht zur Stelle ist?«
    Koutenbruer wischte sich flüchtig die Nase, einmal hin, einmal her, musterte mich scharf und sagte: »An ausführenden Händen, mein lieber Nufer, ist kein Mangel, man denke nur an die Wundärzte, die Bader, Knochenschiener, Zahnbrecher und andere.«
    »Aber, wenn die Bemerkung gestattet ist: Wäre es nicht wünschenswert, wenn ein Medicus beide Fähigkeiten in sich vereinen würde?«
    »Mein lieber Nufer, um bei Eurem Schuh-Argument zu bleiben:
Ne sutor supra crepidam.
Schuster, bleib bei deinem Leisten. Anders gesagt: Man soll nicht alles können wollen.«
    »Jawohl, Herr Professor.« Mir lagen noch ein paar Antworten auf der Zunge, aber ich ersparte sie mir. Ich wollte den kleinen Professor, der Schnapp und mir am vorgestrigen Tag so sehr geholfen hatte, nicht verärgern.
    Nachdem die Unterrichtsstunde zu Ende war, nahm Koutenbruer mich zu meiner Überraschung beim Arm und führte mich in den Hof hinaus. Dabei sah er mich ernst an und fragte: »Nun, habt Ihr im Gebärhaus eine Bleibe finden können?«
    »Jawohl, Herr Professor«, antwortete ich. »Mit Eurer Empfehlung habt Ihr mir sehr geholfen. Leider bin ich noch nicht dazu gekommen, mich bei Euch zu bedanken. Verzeiht, wenn ich es erst jetzt nachhole.«
    »Das ist nicht weiter schlimm. Ich weiß noch, wie es bei mir war, als ich den Wechsel von der Universität Köln an die Ruperto Carola vollzog. Es liegt noch gar nicht so lange zurück. Im April dieses Jahres war es, als ich mich hier als Lizenziat der Medizin immatrikulierte. Auch da musste plötzlich alles auf einmal geschehen, und ich war von Herzen froh, dass ich das Glück hatte, das Diensthaus der medizinischen Fakultät beziehen zu dürfen.«
    »Ich wusste gar nicht, dass Ihr erst seit kurzem in Heidelberg seid.«
    »Nun wisst Ihr es. Und was Ihr bei der Gelegenheit ebenfalls wissen sollt, ist die Tatsache, dass sich mit Euch drei weitere Studiosi eingeschrieben haben. Sie kommen aus allen

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