Der Medicus von Heidelberg
als Spiel und Trunk und seine Lust im Kopf hat. Zu allem Übel hat er in letzter Zeit ein Geschwür am linken Auge. Er trägt zwar eine schwarze Klappe davor, aber das macht ihn nicht unbedingt schöner.«
»Tausche Fisch gegen Apfel!«
Odilie und ich waren so in unser Gespräch vertieft, dass wir Fischel nicht bemerkt hatten. »Fischel!«, rief ich verblüfft. Dann deutete ich auf Odilie. »Fischel, das ist meine …« Prinzessin, hatte ich sagen wollen, aber das erschien mir zu gefährlich angesichts der vielen Ohren auf dem Markt. Deshalb sagte ich: »Das ist meine, äh, liebe Mutter.«
Fischel grinste und legte den Fisch zwischen die Äpfel. »Wenn ich nicht genau wüsste, dass du mich niemals anlügst, hätte ich geschworen, dass unter der Schminke deiner Mutter eine wunderschöne Prinzessin steckt. So aber will ich’s glauben.« Er lüftete seine Kappe, deutete eine Verbeugung an und sagte mit plötzlichem Ernst: »Es ist mir eine Ehre, dich kennenzulernen, liebe Mutter. Du hast einen prächtigen Sohn.«
Odilie errötete unter ihrer Tarnung und antwortete leise: »Und mein Sohn hat prächtige Freunde.«
Fischel winkte ab. »Wir wollen nicht übertreiben. Hier, nimm den Fisch, liebe Mutter, es ist ein schmackhafter Zander, ich nehme mir dafür einen Apfel.«
Er tat es, zuckte bedauernd mit den Schultern und sagte: »Ich muss zurück an meinen Stand, die kleinen Jungen klauen heute wieder wie die Raben. Auf bald, liebe Mutter, auf bald, lieber Sohn!«
Nachdem er verschwunden war, kam mir ein unangenehmer Gedanke. Ich fragte Odilie: »Sag, wie hast du die letzte Pomeranze zu mir ins Gebärhaus bringen lassen? Durch den kleinen Botenjungen von damals etwa?«
Odilie legte mir beruhigend die Hand auf den Arm. »Nein, natürlich nicht, das wäre zu gefährlich gewesen. Kleine Jungen plappern viel zu viel. Milda war es, die es in ihrer Verkleidung als Bettlerin tat.«
»Dann ist es gut.«
Odilie begann, die Münzen zu zählen, die wir eingenommen hatten, und sagte: »Die sind für Milda. Ich weiß nicht, von wem sie die Äpfel und den Karren besorgt hat, aber umsonst wird es nicht gewesen sein.«
»Triffst du dich nachher wieder mit ihr hinter dem Rathaus?«
»Nein, ich habe gesagt, hinter der Kurpfälzischen Kanzlei. Dann haben du und ich noch ein längeres Stück Weg gemeinsam.«
»Willst du denn schon gehen?«
»Ich muss.« Odilie zog ihre abgewetzte Haube noch ein wenig tiefer ins Gesicht. Ich vermutete, sie wollte nicht, dass ich den Abschiedsschmerz in ihrem Gesicht las.
Ich suchte nach einem aufmunternden Wort, obwohl mir nicht danach zumute war, und sagte: »Denk daran, wir können uns hier immer wiedersehen. Das ist mehr, als ich noch vor zwei Wochen zu hoffen gewagt hätte.«
»Ja, wir müssen zufrieden sein.« Odilie packte mit ihren kleinen Fäusten die Holme des Karrens und schob ihn entschlossen zum Marktausgang. Doch nach ein paar Schritten nahm ich ihr die Arbeit ab, denn es durfte nicht sein, dass ein altes Mütterchen sich mit dem Schieben abplagte, während ihr Sohn mit leichtem Schritt nebenherging.
Am Kornmarkt zeigte ich Odilie das Gebärhaus, in dem ich wohnte. Sie hieß mich, den Karren anzuhalten, und blieb stehen, um die Fassade zu betrachten. »Dahinter wartet also Schnapp auf dich«, sagte sie. »Schade, dass du ihn nicht zum Markt mitgenommen hast.«
»Ich habe daran gedacht«, antwortete ich, »aber mich dagegen entschieden. Schnapp ist ein so großer, ungewöhnlicher Hund, dass wir mit ihm viel zu viel Aufmerksamkeit erregt hätten. Aber ich bin sicher, du wirst noch Gelegenheit bekommen, ihn zu begrüßen. Er wird dich wiedererkennen, denn bei Fischel war es genauso.«
»Wirklich?«
»Ich verspreche es dir.«
Einträchtig gingen wir weiter, schoben mittlerweile zu zweit den Karren, denn auf dem Weg zur Kurpfälzischen Kanzlei stieg die Straße zunehmend an. Wir umfuhren die Kanzlei, kamen auf die gegenüberliegende Seite, von wo aus die Straße schnurgerade den Hügel hinauf zum Schloss führt, und verschnauften vor der Behausung des Kanzleipedells. Es war keine besonders ansehnliche Behausung, doch sie besaß einen ebenerdigen Erker, hinter den ich Odilie, einem Impuls nachgebend, zog. Ich konnte nicht länger einfach neben ihr gehen. Ich konnte nicht länger warten. Ich konnte nicht länger über dies und das reden, ohne sie endlich wieder in den Armen zu halten und sie zu küssen. Doch gerade, als ich meinen Wunsch Wirklichkeit werden ließ, wurden wir heftig
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