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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Vogelkäfig in der Hand. »Der Bergfink ist mir jüngst gestorben«, erklärte sie. »Deshalb sollt Ihr das Bauer haben. Wie Ihr seht, ist es ganz aus hölzernen Gitterstäben gefertigt. So hat der Welpe Licht und Luft und muss nicht in Eurer Tasche ersticken.«
    Ich versuchte, mir meine Verblüffung nicht anmerken zu lassen. »Das ist, äh, das ist sehr freundlich von Euch, aber …«
    »Kein Aber! Setzt den Kleinen nur hinein.«
    Ich gehorchte. Schnapp schien sich in seiner neuen Umgebung recht wohl zu fühlen, denn er legte sich sogleich auf den Boden und schlief ein. »Gott vergelt’s, Schwester«, sagte ich. »Das wäre wirklich nicht nötig gewesen.«
    »Papperlapapp. Und nun lasst Euch nicht länger aufhalten. Sagt dem Professor, ich würde nachher noch einmal nach ihm sehen.«
    »Jawohl, Schwester.«
    Sie schlug flüchtig das Kreuz, murmelte etwas, von dem ich annahm, dass es ein Segen war, und hielt im Fortgehen noch einmal inne. »Ach ja, und wenn Ihr nachher das Spital verlasst, schaut vorher in der Kleiderkammer vorbei. Sie liegt direkt neben dem Wirtschaftsgebäude. Dort werden nicht nur Kittel für Kranke gefertigt, sondern auch Kutten für unsere Ordensbrüder. Bestellt einen Gruß von mir und lasst Euch eine neue, reine Kutte geben.« Noch einmal streifte ihr Blick strafend den nassen Fleck an meinem Gewand. Dann verschwand sie.
    Ich stand da, in der einen Hand das Paket mit der Pastete für Wentz, in der anderen den Käfig mit dem schlafenden Schnapp, und musste einen recht absonderlichen Anblick geboten haben, denn eine vorübergehende Novizin hatte Mühe, ein Kichern zu unterdrücken.
    »Wo warst du nur so lange?«, fragte Wentz mich wenig später, als ich an sein Bett trat. »Ich dachte schon …« Dann fiel sein Blick auf das Vogelbauer. Er runzelte die Stirn. »Es scheint, Fischels Verrücktheit hat auf dich abgefärbt?«
    Ich wehrte ab und erklärte ihm, wie alles zusammenhing. Dann übergab ich das Paket.
    »Willst du mir schon wieder etwas schenken? Etwa, weil der Kuttrolf bei dem unglückseligen Beben entzweiging? Oh, das duftet aber gut!« Er nestelte das Paket mit einer Hand auf, und sein Gesicht fing an zu strahlen. »Eine Pastete!«, rief er.
    »Sogar eine Wildpastete.«
    »Kaninchen, Reh, Hirsch?«
    »Ich glaube, Kaninchen.«
    »Wunderbar! Als ob du geahnt hättest, wie anspruchslos die Kost in diesen Mauern ist.«
    Wentz freute sich ehrlich. Er ließ es sich nicht nehmen, umgehend ein kleines Stück des Leckerbissens zu vertilgen, schmatzte anschließend noch ein wenig mit den Lippen, als könne er dadurch den Geschmack länger erhalten, und meinte dann: »Ich bin nicht untätig gewesen, während du fort warst. Hier, zwei weitere Schreiben für dich.«
    »Noch mehr Briefe?«, entfuhr es mir.
    »Keine Briefe, eher Notizen«, schränkte er ein. »Und zwar an zwei Honoratioren der Stadt. Du kennst ihre Namen, aber sie dürften dir nicht persönlich bekannt sein. Der erste ist Ladislaus Ulricher, der, wie du weißt, gerade zum Rektor für das kommende Sommersemester gewählt wurde, der zweite ist Christoph von Utenheim, derzeitiger Bischof von Basel. Utenheim war ebenfalls schon Rektor unserer verehrten Alma Mater, allerdings vor dreißig Jahren. Ich kenne ihn sehr gut. Der Bischof wiederum kennt Ulricher sehr gut, da dieser schon länger Chorherr zu St. Peter ist. Nun ja, so ist alles miteinander verwoben. Übergib beiden Herren die Notiz von mir, und sie werden dir mit Freuden ein Empfehlungsschreiben an den Rektor der Erfurter Universität aufsetzen.« Wentz hob abwehrend die Hand des gesunden Arms. »Ich weiß, dass du das alles nicht für nötig hältst, aber tue trotzdem, um was ich dich bitte. Es ist zu deinem eigenen Besten.«
    Er redete wie ein Vater, und ich mochte ihm nicht widersprechen. Ich nahm also die Notizen entgegen und sagte: »Danke, Johann, ich verspreche, die Herren in den nächsten Tagen aufzusuchen.«
    »Nicht in den nächsten Tagen.« Seine Stimme klang überraschend scharf. »Noch heute! Und nun geh und verabschiede dich von den anderen Artisten.« Dann drehte er den Kopf zur Seite. »Lebe wohl!«
    »Johann?«, fragte ich, denn das Ganze ging mir ein bisschen zu schnell. »Johann?«
    Er reagierte nicht. Da begriff ich, dass ich nicht sehen sollte, wie nahe ihm der Abschied ging. »Lebe wohl«, murmelte ich. »Du wirst mir fehlen. Ich werde dir schreiben. Und danke für alles.«
    Ich stand einen Augenblick verloren da, aber weil er keine Anstalten machte, mich

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