Der Medicus von Heidelberg
Gesäß sich über dem Ende der Lagerstatt befand.
Als das geschehen war, bekreuzigte ich mich rasch, trat zwischen Merles Beine und begann mit dem Skalpell, das Schamhaar fortzuschaben. Eigentlich war das Skalpell nicht das richtige Werkzeug dafür, aber Heddi war noch nicht mit dem Koffer zurück. Dennoch machte die Prozedur keine Schwierigkeiten, weil Merles Schoß kaum Behaarung aufwies.
Danach richtete ich mich auf und streckte mich, denn von vielen anderen Operationen wusste ich, wie wichtig es ist, zwischendurch den Rücken zu entlasten.
Heddi kam und legte den geöffneten Koffer auf den Schemel. Ein prüfender Blick sagte mir, dass meine Anweisung befolgt worden war. »Wo ist Muttchen?«, fragte ich.
»Hier, Herr Medicus.« Muttchen löste sich aus dem Pulk der gaffenden Huren.
Ich wies auf einige der Instrumente. »Legt Spreizer und Haken heraus, dazu die Schere dort sowie die gebogene Nadel und den Faden. Den Faden zieht Ihr auf die Nadel, damit es nachher schneller geht. Ihr werdet mir assistieren.«
»Jawohl, Herr Medicus.«
Ich beugte mich wieder über Merles Leib, das Skalpell in der Hand. Ich hatte es schon viele Male benutzt, doch immer nur, um tote Leiber zu sezieren. Merle jedoch lebte. Und ihr Kindlein auch. Das war etwas anderes. Und doch musste es sein.
Die Möglichkeiten der Inzision bei einer Schnittentbindung waren vielfältig, wie ich inzwischen wusste. Der Schnitt konnte längs, quer oder schräg angesetzt werden, wenn man den Autoren der klassischen Werke glaubte. Sie hatten mit klugen Worten die Vorgehensweise beschrieben, hatten eingehend auf Hindernisse, Versäumnisse und Erkenntnisse hingewiesen, Bezug genommen auf andere Verfasser und mancherlei mehr. Nur eines hatten sie alle nicht: Zeugnis darüber abgelegt, ob der von ihnen beschriebene Eingriff für Mutter und Kind erfolgreich gewesen war.
Ich entschied mich deshalb, auch hier meines Vaters Beispiel zu folgen. Er hatte von einer »schmalen Linie im Gewebe unter der Haut« gesprochen, längs verlaufend, in der Mitte des Bauches, oberhalb und unterhalb des Nabels. Er hatte sie »die weiße Linie« genannt, und ich wusste inzwischen, dass die studierten Ärzte sie als
Linea alba
bezeichneten. Ihr zu folgen empfahl sich schon deshalb, weil der Schnitt so gut wie gar nicht blutete.
»Stell dich hinter Merle, Heddi«, befahl ich. »Es könnte sein, dass unsere Patientin unruhig wird. Dann musst du sie an den Schultern niederdrücken.«
»Is gut, Herr Medicus.« Eifrig folgte Heddi meiner Aufforderung. Sie schien es als Ehre aufzufassen, mir helfen zu dürfen.
Dann war der Augenblick gekommen. Ich musste operieren, wollte ich mich nicht zum Gespött der Huren machen. Ein schneller Seitenblick sagte mir, dass sie nach wie vor in der Tür standen, teilweise nur leicht bekleidet, und lange Hälse machten. Das durfte mich nicht ablenken. Ich nahm das Skalpell und führte zur Probe den geplanten Schnitt aus. Sieben Zoll in der Länge sollte er betragen. Wie hatte Vater seinerzeit gesagt? »Er soll die Pforte bilden, durch die unser Kind das Licht der Welt erblickt.«
Auch heute sollte ein Kindlein das Licht der Welt erblicken. Heute kam es für mich drauf an. Wie immer, wenn ein entscheidendes Ereignis bevorstand, wurde ich plötzlich ganz ruhig. Ich setzte das Skalpell unterhalb des Nabels an und zog es ruhig mit einer einzigen Bewegung nach unten. Der Schnitt war sauber und hatte die richtige Länge. Die Bauchdecke und das darunterliegende Gewebe wurden sichtbar. Ein zweiter Schnitt an derselben Stelle, nicht zu tief, durchtrennte die Gebärmutterwand. Ich legte das Skalpell beiseite und zog die Schnittränder auseinander. Die Schultern des Kindleins, schleimig und käsig, wurden sichtbar. Ich unterdrückte einen Ausruf der Freude und tat, als wäre mein Handeln die normalste Sache der Welt. »Tupft das Blut ab, Muttchen«, sagte ich. »Und dann nehmt die Wundhaken und zieht die Ränder nach links und rechts auseinander.«
Muttchen beeilte sich, meine Anweisung zu befolgen. Doch sie war zu aufgeregt, als dass es ihr beim ersten Mal gelungen wäre.
»Bleibt ganz ruhig«, sagte ich und wunderte mich über mich selbst, denn eigentlich hätte ich derjenige mit Herzklopfen sein müssen. »Ja, so ist es gut. Ich werde jetzt die Schultern zur Seite drücken, bis das Köpfchen in der Öffnung erscheint, und anschließend das Kindlein herausholen.«
Und genau das tat ich in den nächsten Augenblicken. Es gelang auf Anhieb und war
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