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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Gesindekammer für dich freigeräumt hat.«
    »Und Schnapp?«
    »Schnapp? Nun ja …« Odilie biss sich auf die Lippen.
    »Was ist mit Schnapp?«
    »Er ist fort.«
    »Was?« Ich fuhr hoch und sank sofort in die Kissen zurück. Schnelle Bewegungen nahm mir mein Körper noch übel. »Wir müssen ihn suchen.«
    »Du musst dich noch ausruhen. Ich habe ihn schon überall gesucht. Er hat eines der Hühner gejagt, als wir dich verbanden, und die Firnhaberin hat ihm einen bösen Tritt versetzt. Da ist er mit eingeklemmtem Schwanz fortgelaufen.«
    »In welche Richtung?«
    »In Richtung Wald. Glaub mir, ich habe ihn immer wieder gerufen, aber er ist nicht aufgetaucht.« Odilie begann, abermals zu weinen, und ich sagte, obwohl ich selbst nicht daran glaubte: »Vielleicht kommt er bald zurück. Lass mir nur einen Augenblick Zeit, dann will ich aufstehen.«
    Doch aus meiner Absicht wurde nichts, denn kurz darauf schlief ich wieder ein.
    Als ich erwachte, war eine gute Stunde verstrichen. Odilie hatte die ganze Zeit an meinem Lager gesessen und über mich gewacht. Mein zweiter Versuch, mich zu erheben, gelang schon besser. Mit Odilies Hilfe zog ich mich an und sagte: »Ich werde jetzt zur Firnhaberin gehen und sie zur Rede stellen. Sie ist eine böse Frau, und ihr hinterhältiger Tritt hat dafür gesorgt, dass mein kleiner Hund fort ist. Ich will, dass sie ihren Hintern bewegt und hilft, ihn zu suchen.«
    »Lass doch.« Odilie hielt mich am Arm fest. »Wir handeln uns nur Ärger ein. Es ist doch so schon schlimm genug.«
    Ich zögerte. »Nun, vielleicht hast du recht. Dann wollen wir unsere Sachen packen. Vielleicht läuft Schnapp uns über den Weg.« Wir suchten unsere spärliche Habe zusammen, und ich wollte die Weidenkiepe tragen. Doch ich war zu schwach. Hilflos musste ich mit ansehen, wie Odilie sie schulterte, als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt, und ich dachte: Du bist wunderbar, meine Prinzessin, du bist Gefährtin, Freundin und Geliebte in einem, ich hätte nie gedacht, dass unter deiner hochnäsigen Schale ein so guter Kern steckt. Ich wünschte, ich könnte dich mit nach Erfurt nehmen. Das, was wir zusammen erlebt haben, schweißt uns für immer zusammen. Du gehörst zu mir, und ich gehöre zu dir. Bei Gelegenheit will ich es dir sagen.
    Wir verließen die Gesindekammer und gingen die Diele entlang zum großen Ausgangstor des Hofes. Die Höflichkeit gebot es, sich trotz allem von der Firnhaberin zu verabschieden und ihr Dank zu sagen. Wir machten vor der großen Stube halt, um hineinzugehen. Die Tür war leicht angelehnt. Tuschelnde Stimmen drangen zu uns heraus. Sie ließen uns unwillkürlich aufhorchen. »Das kann ich nicht glauben«, sagte die eine Stimme, die zweifelsohne der Firnhaberin zuzuordnen war.
    Die andere Stimme antwortete: »Und doch ist es so.« Zu unserer Überraschung gehörte sie der Meisterin, von der wir angenommen hatten, sie befände sich auf dem Weg zurück nach Sinsheim. »Glaub mir, sie ist es! Sie heißt Odilie, und ich habe mehrfach gehört, wie dieser Lukas sie mit ›meine Prinzessin‹ angeredet hat. Ich habe mir natürlich nichts dabei gedacht, weil junge Paare hunderterlei zärtliche Ausdrücke füreinander erfinden. Ysengard zum Beispiel hat mich früher immer ›mein Goldschätzchen‹ genannt, aber das ist lange her. Verstehst du, was ich meine?«
    »Jaja, ich bin ja nicht dumm.«
    »Sie muss es sein. Wenn ich nicht diesen Tagelöhner getroffen hätte, der auf dem Weg nach Zuzenhausen war, wär ich ja auch nicht draufgekommen. Wer denkt denn auch an so was. Aber der Bursche hat mir erzählt, wovon halb Heidelberg spricht. Unser guter Kurfürst Philipp macht sich die größten Sorgen um seine Zweitälteste. Seit Wochen, heißt es, wird sie vermisst, nachdem sie überfallen wurde. Philipp hat fünfhundert Gulden zur Belohnung ausgesetzt für denjenigen, der ihm sein Töchterchen heil und gesund zurückbringt. Überall in Heidelberg soll es angeschlagen sein. Und die Stadt hat noch mal hundert draufgelegt. Stell dir vor, das sind zusammen sechshundert Gulden!«
    »Das kann ich mir nicht vorstellen, das ist so viel Geld, wie niemand von uns es jemals im Leben verdienen kann.«
    »Dreihundert für dich und dreihundert für mich!«
    »Und was ist mit diesem Lukas? Müsste der nicht die Belohnung kriegen?«
    »Das müsste er wohl. Aber wenn wir es klug einfädeln, geht er leer aus, und das Geld ist unser. Er ist sowieso noch nicht wieder bei sich. Wer weiß, ob er

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