Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Medicus von Saragossa

Titel: Der Medicus von Saragossa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
Vom Netzwerk:
einem Haus zu wohnen. Es war ein Haus voller Koch- und Backdüfte und der Wärme von einem großen Kamin. Jona sorgte dafür, daß die Holzkiste immer gefüllt war, wofür Reyna ihm dankbar war, denn dies war eine ihrer vielen Pflichten gewesen. Das Erdgeschoß bestand nur aus einem großen Raum, in dem gekocht und gegessen wurde, mit zwei bequemen Sesseln vor dem Kamin. Jonas Strohlager befand sich im Obergeschoß in einem kleinen Lagerraum zwischen dem großen Schlafzimmer Fierros und Reynas kleinerer Kammer, die beide ein Bett enthielten.
    Die Wände waren dünn. Er hörte Reyna nie beten, aber beide waren sich bewußt, daß der andere ihn hören konnte, wenn er in den Nachttopf pinkelte. Einmal hörte Jona sie leise seufzen und gähnen, als sie sich ins Bett legte, und er konnte sich vorstellen, wie sie sich streckte und die Zeit ihrer Muße genoß. Tagsüber betrachtete er sie verstohlen, achtete aber darauf, daß er dabei nicht beobachtet wurde, denn er wußte von Anfang an, daß Reyna bereits vergeben war.
    Wenn er nachts im Dunkeln lag, hörte er des öfteren, wie ihre Tür aufging und sie in Nuños Zimmer schlich und die Tür hinter sich schloß. Manchmal hörte er die gedämpften Geräusche ihres Liebesspiels.
    Schön für dich, Arzt! dachte er dann, gefangen im Kerker seiner unerlösten Lenden.
    Ihm fiel auf, daß Nuño und Reyna sich tagsüber verhielten wie Herr und Magd, zwar freundlich zueinander, aber ohne jede Vertraulichkeit.
    Zum geschlechtlichen Verkehr zwischen den beiden kam es seltener, als Jona erwartet hätte. Offensichtlich waren Nuño Fierros Bedürfnisse nicht mehr so drängend. Jona war ein Mensch, der auf Verhaltensmuster achtete, und so fiel ihm schon sehr bald auf, daß Nuño hin und wieder nach dem Nachtmahl zu Reyna sagte, er wolle am nächsten Tag geschmortes Geflügel essen, und sie dann den Kopf senkte. In solchen Nächten ging sie immer in Nuños Zimmer. Bald war es so, daß Jona, immer wenn er diese Geheimbotschaft hörte, erst einschlafen konnte, wenn er mitbekam, daß sie in Nuños Zimmer ging.
    Daß Nuño nicht auf der Höhe war, bemerkte Jona zum ersten Mal, als er eines Nachmittags den kleinen Tisch, an dem er übersetzte, verließ und den Arzt still auf den Stufen der Treppe sitzen sah. Fierro war blaß und atmete schwer.
    »Señor, kann ich Euch helfen?« fragte Jona und eilte zu ihm, doch Nuño schüttelte den Kopf und hob die Hand.
    »Ich bitte Euch, laßt mich.«
    So nickte Jona nur und kehrte zu seinem Tisch zurück. Kurz darauf hörte er Fierro aufstehen und in sein Zimmer gehen.
    Einige Tage später kam abends ein böiger Wind auf, und ein heftiger, anhaltender Regen setzte ein, der eine lange Dürre beendete. In der Dunkelheit kurz vor Tagesanbruch wurden alle drei von einem Hämmern an der Tür geweckt. Eine Männerstimme rief laut nach Señor Fierro.
    Reyna eilte nach unten und rief durch die geschlossene Tür: »Ja, ja. Was ist denn?«
    »Mein Name ist Ricardo Cabrera. Bitte, wir brauchen den Señor. Mein Vater ist bös gestürzt.«
    »Ich komme schon«, rief Nuño vom Treppenabsatz her.
    Reyna öffnete die Tür nur einen Spalt, denn sie war im Nachtgewand. »Wo liegt denn Euer Hof?«
    »An der Straße nach Tauste.«
    »Aber das liegt ja am anderen Ufer des Ebro!«
    »Ich konnte ihn ohne Schwierigkeiten überqueren«, erwiderte der Mann flehend.
    Nun hörte Jona zum ersten Mal und mit Befremden, wie die Dienstmagd mit Nuño Fierro stritt, als wären die beiden Mann und Frau. »Leg nicht so seelenruhig Arzneien und Instrumente in deine Tasche! Es ist zu weit weg, und am anderen Ufer. In so einer Nacht kannst du nicht hinaus!«
    Kurz darauf klopfte es an Jonas Tür. Reyna kam in seine Kammer und baute sich in der Dunkelheit vor seinem Lager auf. »Er ist nicht bei Kräften. Geht mit ihm und helft ihm. Seht zu, daß er wohlbehalten zurückkehrt.«
    Nuño war nicht so frisch und wohlgemut, wie er vorgegeben hatte, und er schien erleichtert zu sein, als Jona seine Kleidung überwarf und nach unten kam.
    »Warum nehmt Ihr nicht eins von Eures Bruders Pferden?« fragte Jona, aber der Arzt schüttelte den Kopf. »Ich habe mein eigenes Pferd, das den Ebro schon oftmals durchquert hat«, erwiderte er.
    So sattelte Jona Nuños Braunen und für sich den grauen Araber, und dann folgten sie dem zottigen kleinen Pferd des Bauern durch den strömenden Regen. Aus dem Bach war ein kleiner Fluß geworden, und überall war Wasserrauschen zu hören, während sie durch den Schlamm

Weitere Kostenlose Bücher