Der Medicus von Saragossa
würde gern lernen, wie man mit Waffen umgeht. Wärt Ihr vielleicht bereit, es mir beizubringen?«
Costa starrte ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Ich unterweise nicht.« Behutsam prüfte er mit der Fingerkuppe die Schärfe einer Pfeilspitze. »Aber ich will dir sagen, was du tun mußt, um meine Kunst zu erlernen. Du mußt Soldat werden und zwanzig Jahre lang gegen die Mauren kämpfen. Du mußt töten und töten, mit jeder Waffe, die du in die Hand bekommst, und manchmal mit bloßen Händen, und wann immer möglich, mußt du dem Erschlagenen seine Rute abschneiden. Und wenn du dann mehr als hundert beschnittene Pimmel beisammen hast, kannst du zurückkommen und mich herausfordern und deine Sammlung von Pimmeln gegen meine setzen. Und dann werde ich dich sehr schnell töten.«
Fierro, den Jona vor dem Stall traf, war freundlicher zu ihm.
»Kein guter Tag für dich, was, Ramón?« fragte er fröhlich. »Bist du verletzt?«
»Nur mein Stolz, Meister.«
»Ich möchte dir einen Rat geben. Du mußt von Anfang an die Lanze viel fester packen, mit beiden Händen, und du mußt dir das hintere Ende der Waffe fest zwischen Ellbogen und Körper klemmen. Sieh deinen Gegner an und laß ihn nicht aus den Augen, während er auf dich zukommt, und dann folge ihm mit der Spitze deiner Lanze, so daß sie seinen Körper trifft, als wäre der Zusammenprall vorherbestimmt.«
»Ja, Señor«, sagte Jona, aber so mutlos, daß Fierro lächeln mußte.
»Es ist nicht aussichtslos, aber du reitest ohne Selbstvertrauen.
Du mußt eins werden mit dem Pferd, damit du die Zügel schießen lassen und dein ganzes Augenmerk auf die Lanze richten kannst. Wenn du an einem Tag einmal wenig Arbeit hast, dann hol dir das graue Pferd aus dem Stall und reite mit ihm aus, aber striegle es danach und gib ihm Futter und Wasser. Ich glaube, die Übung wird dir und dem Tier guttun.«
Müde und zerschlagen schleppte Jona sich an diesem Abend in die Hütte und ließ sich auf sein Lager sinken.
Vicente sah von seiner Pritsche aus zu ihm herüber. »Wenigstens bist du noch am Leben. Angel hat eine verschlagene Seele.« Der alte Mann redete wieder normal und schien bei Sinnen zu sein.
»Ist das Fieber nicht zurückgekehrt?«
»Anscheinend nicht.«
»Gut, Vicente, das freut mich.«
»Ich danke dir, daß du dich während meiner Krankheit um mich gekümmert hast, Ramón Callicó.« Er hustete und räusperte sich. »Ich hatte im Fieber schreckliche Träume. Habe ich wirr geredet?«
Jona lächelte ihn an. »Nur ein paarmal. Manchmal hast du zum heiligen Pilger gebetet.«
»Zum heiligen Pilger. Wirklich?«
Einen Augenblick lang schwiegen sie, und dann setzte Vicente sich mühsam auf. »Es gibt etwas, das ich dir gern sagen möchte, Ramón. Etwas, das ich mit dir teilen möchte, weil du der einzige bist, der sich um mich gekümmert hat.«
Jona sah ihn besorgt an, denn Vicentes Stimme klang plötzlich wieder so angespannt und schrill, daß er glaubte, das Fieber wäre zurückgekehrt. »Was denn, Vicente?«
»Ich habe ihn entdeckt.«
»Wen...?«
»Santo Peregrino El Compasivo. Ich habe den Heiligen der Pilger gefunden«, sagte Vicente Deza.
»Vicente, was redest du da?« Jona sah den alten Mann bekümmert an. Seit der Nacht seines Deliriums waren erst drei Tage vergangen.
»Du glaubst, ich bin nicht bei mir. Ich verstehe.«
Vicente hatte recht, er glaubte wirklich, der alte Mann sei verrückt, wenngleich auf harmlose Weise.
Vicente schob die Hände unter sein Lager. Er zog etwas hervor und krabbelte damit wie ein Kind zu Jona. »Nimm es«, sagte er, und Jona fand einen Gegenstand in seiner Hand. Er war klein und dünn. Er hielt ihn hoch, um ihn in dem trüben Licht besser erkennen zu können.
»Was ist das?«
»Ein Knochen. Vom Finger des Heiligen.« Er packte Jona am Arm. »Du mußt mit mir kommen, Ramón, und es dir selbst anschauen. Laß uns am Sonntag morgen hingehen.«
Verdammt. Den Sonntagvormittag hatten die Arbeiter frei, damit sie den Gottesdienst besuchen konnten. Jona reute es, die wenigen kostbaren Stunden, die er für sich selbst hatte, zu vergeuden. Er wollte dem Rat des Meisters folgen und mit dem grauen Araber ausreiten, befürchtete aber, daß Vicente ihm keine Ruhe lassen würde, wenn er dessen Behauptungen keine Beachtung schenkte.
»Ja, wir gehen am Sonntag hin, wenn wir dann beide laufen können«, sagte er und gab ihm den Knochen zurück.
Er machte sich Sorgen um Vicente, der nicht aufhörte, ihm in fiebrigem Flüsterton
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