Der Medicus von Saragossa
hinter einem Busch oder unter einem Baum ausgeschlafen«, sagte Paco. Dann verstummte er, denn ihm war wohl eingefallen, daß der alte Mann ein Liebling Fierros war.
»Ich hoffe, daß seine Krankheit nicht zurückgekehrt ist und ihm auch sonst kein Mißgeschick widerfahren ist«, bemerkte Fierro.
Jona nickte besorgt.
»Ich möchte Bescheid erhalten, wenn ihr ihn das nächste Mal seht«, sagte der Meister, und Jona und Paco entgegneten, daß sie es ihm melden würden.
Wäre Fierro bei der Arbeit an den Büchern seiner Werkstatt nicht das Tintenpulver ausgegangen, hätte sich Jona nicht im Dorf aufgehalten, als man Vicente fand. Er war eben auf dem Weg zum Kramladen, als vom Hafen unterhalb der Hauptstraße Lärm und Geschrei heraufdrangen.
»Ein Ertrunkener! Ein Ertrunkener!«
Zusammen mit anderen Neugierigen rannte Jona zum Hafen hinunter, und als er dort ankam, sah er, daß Vicente triefnaß aus dem Wasser gezogen wurde.
Die dünnen Haare klebten ihm am Kopf, darunter war die Kopfhaut des alten Mannes zu sehen. Auf der linken Seite des Schädels klaffte eine tiefe Wunde. Die Augen starrten blicklos.
»Sein Gesicht ist ja ganz zerschlagen«, sagte Jona.
»Bestimmt ist er gegen Felsen und die Uferbefestigung geschlagen«, sagte Jose Gripo mitfühlend.
Tadeo Deza kam aus dem Kramladen gelaufen, um nachzusehen, was der Lärm zu bedeuten hatte. Er sank auf die Knie und drückte sich Vicentes nassen Kopf an die Brust. »Mein Vetter... mein Vetter...«
»Wohin sollen wir ihn bringen?« fragte Jona.
»Meister Fierro hat ihn sehr gern gemocht«, sagte Gripo. »Vielleicht erlaubt er, daß Vicente auf dem Grundstück hinter der Werkstatt beerdigt wird.«
Als Vicente fortgetragen wurde, ging Jona mit Gripo und Tadeo hinter der Leiche her. Tadeo war erschüttert. »Als Jungen waren wir Spielkameraden. Wir waren unzertrennliche Freunde... Als Mann hatte er gewisse Schwächen, aber in seinem Herzen war er ein guter Mensch.« Vicentes Vetter, der so schlecht von ihm gesprochen hatte, als er noch am Leben war, brach in Tränen aus.
Gripo hatte richtig vermutet: Fierros Freundlichkeit Vicente gegenüber veranlaßte den Meister zu einer letzten Geste der Barmherzigkeit. Vicente wurde auf einem kleinen Rasenstück hinter der Schwertmacherhütte beerdigt. Die Arbeiter erhielten frei, so daß sie sich in der heißen Sonne versammeln und miterleben konnten, wie Vicentes Leiche von Padre Vasquez feierlich der Erde übergeben wurde. Dann kehrten alle an ihre Arbeit zurück.
Der Tod warf seinen Schatten. Die Hütte, die Jona mit Vicente bewohnt hatte, war jetzt leer und still. Einige Nächte lang schlief Jona unruhig, immer wieder wachte er auf, und dann lag er da und lauschte dem Rascheln der Mäuse.
Jeder in der Werkstatt arbeitete schwer, um fertigzustellen, was an Aufträgen abzuschließen war, bevor die Abordnung nach Tembleque aufbrach, um dem Grafen Vasca seine Rüstung und sein Schwert zu bringen. Deshalb runzelte Manuel Fierro auch mißmutig die Stirn, als ein Junge mit der Nachricht kam, daß ein Verwandter von Ramón Callicó in Gibraltar eingetroffen sei und Señor Callicó in der Dorfschenke zu sprechen wünsche.
»Du mußt natürlich hingehen«, sagte Fierro zu Jona, der dabei war, Schwerter zu schärfen. »Aber vergiß nicht zurückzukehren, sobald du ihn gesprochen hast.«
Jona dankte ihm bedrückt und machte sich auf den Weg. Den Kopf in Aufruhr, schlich er ins Dorf, so langsam er konnte. Der Mann, der ihn erwartete, war nicht Onkel Aaron, das war klar. Ramón Callicó war ein erfundener Name, den Jona sich zugelegt hatte, als er einen Namen brauchte. Konnte es sein, daß es hier in der Nähe einen echten Ramón Callicó gab und daß Jona Toledano nun den Verwandten dieses Mannes treffen würde?
Zwei Männer warteten zusammen mit dem Jungen, der die Nachricht überbracht hatte, vor der Schenke. Jona sah, daß der Junge ihn den Männern zeigte, dann eine Münze erhielt und davonlief.
Als er auf sie zuging, fiel ihm auf, daß der eine gekleidet war wie ein Edelmann, in Brustharnisch und feinem Tuch. Er trug einen kurzen gepflegten Kinnbart. Der andere Mann hatte einen struppigen Bart und derbere Kleidung, aber auch er trug ein Schwert. Zwei prächtige Pferde waren vor der Seitentür der Schenke angebunden.
»Señor Callicó?« fragte der Mann mit dem Kinnbart. »Ja.«
»Laßt uns ein wenig Spazierengehen, während wir uns unterhalten, denn wir sind sattelmüde.«
»Wie heißt Ihr, Señores? Und wer von
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