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Der Meister

Der Meister

Titel: Der Meister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosendorfer Herbert
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nichts gestimmt hätte.«
    Die schöne Helene Romberg, nunmehr verheiratete Winter, Mutter eines Amadeus Winter, dieser, im Gegensatz zu seiner Mutter, dem, wie sie über sich selber sagte, »Heidenkind«, sehr wohl getauft, katholisch, da nach des Ministerialrats (denn das war er inzwischen) Konversion geboren. Nie sagte der Pfarrer Rohrdörfer ein Wort zu dieser Gemengelage, obwohl er es wußte. Sie ging in die Kirche, die schöne Helene Winter. Wenn ihr Mann einem der feierlichen und musikalisch hochrangigen Hochämter beiwohnte, begleitete sie ihn, genoß die Messe, machte verhalten die rituellen – wie soll man sagen – Körperbewegungen mit. Kam sie so der Religion näher? Oder nur dem Pfarrer Rohrdörfer? War die initiale Gemeinsamkeit das Peterl? Frau Helene war eine Katzennärrin. War sie selber so etwas wie eine Katze?
    »So offen und klar sie redete und dachte«, sagte Carlone in der Madonna , »so wenig je eine Lüge aus ihrem Mund kam, so freizügig sie, solang sie jung war, und sie war lange jung, ihre, wie soll ich sagen, naturbelassene Körperlichkeit keineswegs zu verbergen trachtete, so war sie doch ein Rätsel, eine Sphinx. Eben eine Katze.«
    »Übrigens auch neugierig wie eine Katze.«
    »Und ungeduldig wie eine Katze. Wenn das Konzert zu Ende war, klatschte sie einmal fest, und dann drängte sie schon hinaus.«
    »Nur, daß sie nicht wasserscheu war.«
    »Richtig. Im Gegenteil. In jedes Wasser hüpfte sie, fast zwanghaft …«
    »Ein Rätsel.«
    »Ein schönes Rätsel.«
    »Ob der Sigurd Winter es gelöst hat?«
    »Kaum.«
    »Pfarrer Rohrdörfer?«
    Wir schwiegen und dachten nach.
    Selbstverständlich war Helene Romberg – ich benutze lieber diesen Namen statt »Winter«, sie nahm ihn ja dann später auch wieder an – bei jenem Ereignis dabei, das großen Wirbel verursachte: bei des Tierfreundes Rohrdörfers Idee – vom Generalvikar übrigens später als Schnapsidee bezeichnet – eines Gottesdienstes für Tiere.
    Der Zulauf war unbeschreiblich. Alle Katzen, Hunde, Kanarienvögel, Papageien, Goldhamster, Kaninchen aus der ganzen Pfarrei, selbst ein Schaf und ein Pony wurden in die Kirche gebracht, sogar einige Aquarien mit Goldfischen und Exoten wurden angeschleppt … Seltsam: War es der Weihrauch, war es die auch den Tieren erkennbare Feierlichkeit? Die Tiere waren wohl über eine halbe Stunde lang ruhig. (Daß ihr Geruch nicht wahrnehmbar war, verdankte man allerdings dem Weihrauch.) Pfarrer Rohrdörfer kürzte die Messe zweckdienlicherweise auf knapp diese halbe Stunde ab. Es war eigentlich nicht viel mehr als eine Segnung und eine Predigt – worüber wohl? – über den heiligen Franziskus.
    Unbeschreiblich auch der Wirbel hernach. Ohne daß Rohrdörfer eigens Reklame gemacht hätte, sprach es sich herum wie ein Lauffeuer. Die Boulevardpresse, selbst die von auswärts, das Fernsehen, alle waren da. Bei Trachtenvereinsveranstaltungen gibt es immer Preise: für die Gruppe mit den schönsten Hüten, für die Gruppe mit den authentischsten Knöpfen, für die Gruppe mit der ältesten Fahne und so weiter, und den »Weitpreis«, das ist der Preis für die Gruppe, die den weitesten Weg hatte.
    »Der Weitpreis unter den Reportern«, sagte Monsignore Rohrdörfer nach dem Gottesdienst und hielt sein Peterl im Arm, »gebührt dem Journalisten aus Edinburgh.« Und das Peterl (der Peterl? ich weiß nicht mehr, ob so oder so) streckte sich und leckte an Rohrdörfers Kinn zart mit seiner rauhen Zunge.
    Und eben dieses Bild ging am nächsten Tag nicht grad um die Welt, aber doch um die kleine Welt dieser Stadt hier und landete, auf der ersten Seite der ›Abendzeitung‹, auch auf dem Schreibtisch des Generalvikars.
    Eine Minute danach klingelte im Butzenscheibenpfarrhaus das Telephon, und Rohrdörfer wurde, stilo militari gesprochen, zum Rapport bestellt.
    »Und da schauen Sie«, jammerte der Generalvikar (Rohrdörfer erzählte es später oft und genüßlich), »da stehen Sie in der Zeitung mit Bild – in Soutane, tz, tz, tz, und es küßt Sie eine Katze.«
    »Ich erinnere mich«, sagte Rohrdörfer – er hatte sich verbal gewappnet, »an Bilder unseres Herrn Jesus, auf dessen Schulter ein Schaf liegt.«
    Darauf konnte der Generalvikar nichts sagen, murmelte nur etwas von: »… nicht zu oft« und entließ den Pfarrer. Pluspunkte in der Personalakte brachte es nicht. Aber das kümmerte den Pfarrer wenig, gestützt auf eine Popularität in seiner Gemeinde, die an Heiligenverehrung

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