Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
Berge.«
»Ja, mhm … ich habe nur gehört … aber bitte ganz im Vertrauen …« Endorfer winkt uns näher heran und blickt sich dabei um, als ob wir im Gedränge auf dem Kirchplatz stünden. »Ich habe also mitbekommen, daß Sprinzenstein gerade nach Madrid abgereist sei, um die ausständige Bezahlung der Pension an unseren Erzherzog, die ihm Philipp vor einem Jahr wohl eingeräumt hat, zu erlangen.«
»Es ist nicht zu glauben …«, bemerkt mein Onkel jetzt mit blasser Gesichtsfarbe. »Wieviel soll er denn vom Spanier bekommen?«
»Man spricht von 12 000 Taler im Jahr! Dafür soll Sprinzenstein dem König das Angebot machen, daß die Bestellung Philipps von 12 000 Reiter auf 20 000 Reiter erhöht werden kann, wenn er dafür endlich zahlt«, flüstert Endorfer.
»Warum verkauft uns der Deputationsgesandte nicht gleich für ein Paar ungeprägte Silberlinge. Nach den Kanonen schiebt er ihm auch noch Regimenter von Reitern hinterher und sieht doch kein Geld. Welche Klammer hält diese Narrheiten zusammen?« setze ich hinzu.
»Das könnt euch so passen, mit dem fröhlichen Feiern ohne uns anzufangen. Kaum sind die Herren unter sich, schon sind wir vergessen, Katharina!«
»Wenn wir es zulassen, Mutter!«
O je! Warum kommen sie jetzt schon?
Die Feldherrin, mit dem seltenen Juwel an ihrer Seite, zerkeilt mit ihrem lauten Auftritt unseren gerade begonnenen Austausch von Vertraulichkeiten.
Katharina in ihrem schwarzen Kleid, dessen Taille tief ansetzt, trägt heute mittag das engste Oberteil von ganz Tirol, das die reizvollen Rundungen ihres Oberkörpers augenfällig werden läßt. Der viereckige Ausschnitt des Dekolletes geht ziemlich tief hinunter bis zu den herrlichen angesetzten Wölbungen – eine hübsche Augenfalle. Rückwärts deckt eine hochstehende Kröse ihren Kopf schützend wie eine Mauer ab. Die goldene Kette um ihre Hüften, an der ein seltsames Amulett baumelt, spielt mit meinen Gedanken und mit meinem Herzschlag. Ich wette sie braucht kein Mieder für ihre Figur. Sie ist ein wandelnder Beweis dafür, daß Gott einst, als er der Jungfrau vor mir die Seele eingehaucht hat, gut gelaunt gewesen sein muß. Bei solch einer Venus kann man sogar die Mutter mit in Kauf nehmen.
Ihr Interesse lenkt sie sofort auf unseren Gast. Sie weicht meinen Blicken aus, während sie direkt mir gegenüber, gleich neben Endorfer, ihren Platz am gedeckten Tisch einnimmt. Eingeklemmt zwischen Mutter und Tochter wirkt Endorfer auf mich noch verlorener als auf seinem Wallach.
»Liebster, gnädigster Herr Endorfer«, meldet sich die Herrin wie von der Kanzel, »ist es Euch recht, wenn wir jetzt mit dem Mittagsmahl beginnen?«
»Ja, ein guter Vorschlag, Frau …«, kommt es zögernd über seine Lippen. »Ein guter Zeitpunkt«.
»Wir sind bereit«, antwortet Frau Elisabeth.
»Das Jawort zu geben?« entfährt es mir.
Als wenn ich sie für die Ewigkeit in Lehm gebrannt hätte, so erstarrt glubscht sie mich an.
»Zum Fressen und zum Saufen, ha-ha-ha«, löst Max ihre Erstarrung.
»Ja, zum Essen …«, sagt die Herrin erleichtert und klatscht zweimal knallend die Hände.
»Nein«, widerspricht überraschend Katharina, wobei nicht klar ist, was genau sie meint. Dabei tauschen wir unseren ersten Blicke am Tisch.
»Na ja, vermutlich von jedem etwas«, ertönt grimmig Hans Christophs Stimme dazwischen.
»Wollt Ihr mir nicht schon heute alle Glück wünschen?« fragt Katharina anstachelnd.
»Vortrefflich, Katharina! Darf ich den Anfang machen?« blase ich in die Glut.
»Aber Katharina!« setzt die Herrin an.
»Ruhe!« brüllt der Herr. »Laßt dieses Gerede bei Tisch, schließlich ist Herr Endorfer das erste Mal bei uns Gast.«
»Ja, was heißt denn das?« fragt Katharina keck zurück. »Deswegen kann mir doch jeder Glück wünschen – auch wenn ich meinen zukünftigen Ausgewählten noch gar nicht kenne?«
»Das freut mich aber, Schwester«, meldet sich Max neben mir. »Denn ich sehe, daß du nicht daran denkst, irgendeinen ausgesuchten Wallach zu heiraten.«
Endorfer zuckt zusammen und blickt irritiert in die Runde.
Hans Christoph starrt mürrisch zur Tür, durch die Antonia und Lene die Suppenterrine hereintragen.
»Na, warum schaut Ihr denn so griesgrämig an diesem herrlichen Tag und bei dieser vorzüglichen Küche?« muntert Katharina in fröhlicher Stimmung ihren Vater auf. »Wäre jetzt nicht ein Glas von deinem köstlichen toskanischen Wein angebracht? Laß uns ein wenig feiern!«
»Wo ist denn mein
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