Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
…«
»Wie könntet Ihr auch die Geduld verlieren in Eurer Stellung, denn wie ich höre, seid Ihr ein wertvolles Werkzeug in eines Mächtigen Hand.«
»Ihr habt es genau getroffen! Ich bin nur zur Strafe hier. Was aber den Sinn und Zweck meiner Strafe betrifft, so höre ich gespannt auf Eure Deutung!«
Endorfer zögert, da ihn die Antwort augenscheinlich irritiert.
»Bravo, Adam«, lächelt Hans Christoph. »Nur schade, daß du dabei so wenig unglücklich erscheinst. Und aufgepaßt: Wir wissen nicht einmal, welchen Zweck seine Strafe hier bei uns erfüllt, außer daß er sich gut ernährt und bald neben mir der ›Beste Mann‹ auf Büchsenhausen sein wird. Wohlgemerkt, der Beste nach mir – in der Gießerei! Dahin habe ich ihn geführt – das sollte er nie vergessen.«
»Dann hätten wir also die Antwort!« rufe ich befriedigt aus. »Darauf können wir die Gläser heben – zum Wohl, mein Meister!«.
Katharina läßt ihr Glas sehr lange an ihren Lippen angesetzt, die den Rand des Glases hin und her streichen. Ihre grünen Augen wachen über meine Regungen.
»Herr Endorfer«, vernehme ich die Stimme Katharinas. »Bevor die Brandküchlein serviert werden, zeige ich Euch oben in meinem Zimmer gern die Schmetterlinge!«
Während sie spricht, lächelt sie mir voll zu, läßt aber ihre rechte Hand auf seinem Arm ruhen.
Die Herrin triumphiert:
»Das ist aber lieb, Kathilein, daß du den sehnlichen Wunsch des Herrn Kanzleischreibers erfüllst. Geht nur gleich und eilt Euch nicht – wir werden uns mit dem nächsten Gang Zeit lassen.«
Das Viperngift der Alten verursacht auf meiner Haut ein immer stärker werdendes Jucken, während ich beobachten muß, wie sie mit den Segnungen ihrer Mutter den Schreiberling an der Hand auf den Gang hinaus entfuhrt.
»Für ein braves Mädchen ist es nicht leicht, einen anständigen, ehrbaren Mann kennenzulernen. Ein hochvornehmer Herr ist er – nicht wahr, Stöffelchen?«
Der trinkt sein Glas mit einem Zug aus und meint:
»Ich leg mich für eine kleine Weile aufs Ohr. Ruft mich, wenn’s mit dem Essen weitergeht.«
»So, das hätten wir!« sagt sie voll Befriedigung, steht auf, sieht sich noch einmal kritisch im Zimmer um, wie sie es immer tut, wenn sie einen Raum verläßt, in dem sie vorher ihre Zeichen angebracht hat, um später festzustellen, ob jemand im Zimmer war, der während ihrer Abwesenheit nachschnüffelt.
Ich mache mir einen Spaß daraus, jedes ihrer Zeichen geringfügig zu verändern, zu komplizieren, aber vor allem weitere Zeichen hinzuzufügen. Wenn sie zum Beispiel einen Faden auf ein Kissen legt und ihn kunstvoll verschlingt, füge ich gern eine Schlinge hinzu. Die Zeichen sind im ganzen Haus angebracht. In der Speisekammer, in der Küche, hier oben genauso wie im Keller. Ja sogar im Geräteschuppen und in den Gemüsebeeten findet man beim genauen Hinsehen die Zeichen. Holzsplitter in bestimmten Winkelformen, kunstvoll hingelegte Kiesel, die eine geometrische Figur ergeben. Geräte und Gefäße, die in bestimmter Zuordnung zusammengestellt sind. Colin meinte dazu, daß ihr leidenschaftliches Interesse für die Zeichenmacherei darin bestehen müßte, daß sie daran einen bestimmten Genuß empfinde, gewissermaßen so etwas wie ein regelmäßiger Samenerguß beim Mann.
»Adam, komm, wir öffnen eine Flasche ganz für uns allein«, muntert mich Max auf, der mein grüblerisches Nachdenken bemerkt.
»Oh, Verzeihung, Ihr seid es«, flüstert die Stimme Antonias, die unbemerkt auf leisen Sohlen den Raum betreten hat, um erneut den Tisch frisch einzudecken. »Ich dachte, Ihr ruht Euch aus. Habt Ihr einen Becher für mich übrig?«
»Füll ihr mein Glas, Adam – ich muß zur Haimlichkeit.«
Wie abwesend hebe ich das Glas mit ihr, die es in einem Zuge leert.
Frisch gestärkt bückt sich meine Aphrodite – etwa für die Dauer eines Ave Marias – tief über den Tisch zu mir herüber, um die Schüsseln und Teller zu greifen. Meine Augen erfassen über den Spalt ihres Ausschnitts hinweg ihre mächtigen Sendboten der Liebe. Um ihren Hals hängt an einem dünnen Lederband ihr Talisman, der sonst zwischen ihren festen Brüsten klemmt und jetzt außerhalb des Kleides baumelt. Das Zeichen! Antonia hat heute Lust auf mich …
Mir ist, als erwache ich aus tiefer Dunkelheit zum prickelnden Leben. Sie glaubt felsenfest an die wohltätige Wirkung des Mondsiegels, das Toni damals aus reinstem Silber für sie an einem Montag im Lenz angefertigt hat. »Erst wenn du mich
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