Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
Licht des bedeckten Himmels überschwemmt, wirkt dagegen wie ein einziges grabestiefes Loch. Das Dunkle und das Ungewisse der letzten Wochen, mitsamt seinen bösen Vorahnungen, die uns plagten, sind vorbei. Ich laufe den steilen Hügel hinunter und überspringe eine Pfütze, die in ihren Umrissen Iberien gleicht – ein ausgebreitetes Stierfell. Ich bin mir sicher, wir werden den Habsburger Stier aus seiner Decke schlagen. Damit sich das Omen erfüllt, springe ich gleich noch einmal darüber.
Die Hektik fliegt gegen den fegenden Wind vom grasbewachsenen Hügel hinunter auf die Kais und von dort hinüber auf die Galeonen. Offiziere und Mannschaften drängen zu den Schiffen. Ein unaufhörliches lautes Gemurmel umgibt die Gruppen. Jeder diskutiert mit jedem über die mögliche Position der Armada. Fortwährend legen Kapitänspinassen und Großboote an, um die Besatzungen zu den Schiffen überzusetzen.
Lordadmiral Howard, den ich auf seinen Befehl hin begleite, geht auf jeden einzelnen Kapitän und Offizier seines Geschwaders zu und erteilt unermüdlich Befehle, die in ihrer Ernsthaftigkeit Schauer über den Rücken jagen.
Frobisher mit seinem Bootsmann ist an der Reihe, der das Kommando über die T RIUMPH hat:
»Ich brauche alle Kriegsgaleonen im Kanal. Eure Männer schaffen es, rauszukommen! Gegen die Flut werdet Ihr nicht ankommen, doch mit dem ablaufenden Wasser heute nacht werdet Ihr es auch gegen den Wind schaffen. Fuß für Fuß wird es gelingen! Schwört Eure Männer auf das Ziel ein, feuert sie an, aber laßt alle Handgriffe streng überwachen. Verholt die T RIUMPH gleich über die Taue. Euer Schiff muß klarkommen. Wenn Ihr Eure Galeone ins Gefecht bringt, werden wir siegen. Sind wir erst beim Eddystone, haben die Dons gegen uns verloren. Setzt es in die Tat um. Probiert es, es wird Euch gelingen! Für Elizabeth und das Königreich! In drei Stunden sehe ich Euch wieder auf dem Hügel.«
»Aye, aye, Mylord!«
Frobishers Augen glänzen, als er die Pinasse besteigt, um seine Mannschaft einzuschwören.
Drake, der am Ende des Kais die gleiche Aufgabe erfüllt, teilt mit barschem Ton seine Befehle aus; dabei fehlen die aufmunternden Worte völlig. John Hawkins, der die V ICTORY befehligt, scheint Drake übersehen zu wollen. Im letzten Augenblick legt er seine Hand jedoch von hinten auf dessen linke Schulter und bemerkt:
»Nicht so laut, Francis. Ihr verscheucht mir sonst die Spanier da draußen!«
Drake fletscht die Zähne:
»Die Stunde hat ihnen schon geschlagen, John. Erst hören sie meine Stimme, dann die Trompeten meiner Männer und danach die Kanonen meiner R EVENGE !«
»Dann mach aber rasch. Wir liegen noch weit zurück!«
Wenig später ist der Kai fast leer. Drake kommt auf uns zu, schenkt mir ein Lächeln:
»Höchst bedauerlich, Sir Adam, daß Ihr nicht bei mir auf der R EVENGE mitsegeln könnt. Ich bin meinem Admiral fast gram, denn er ließ es einfach nicht zu.«
»Ihr seid nicht der einzige, der meine Entscheidung bedauerlich findet«, antwortet der Lordadmiral ruhig. »Doch Sir Adam soll auf der A RK die Taktik und deren Wirkung mitbeurteilen. Ich erwarte im richtigen Augenblick seinen Rat. Für alle!«
»Aye, aye, Mylord! Verstanden«, gibt Drake zum Besten und läßt uns spüren, daß die Worte des Lordadmirals für ihn nicht gelten.
»Sir Francis«, frage ich ihn, »was ist, wenn die Armada die nächsten Stunden mit der Flut direkt und ohne zu zögern in den Sund hineinsegelt – ähnlich wie wir letztes Jahr in Cadiz?«
»Es wäre für uns die ungünstigste Situation, die ich mir vorstellen könnte, Sir Adam. Wir wären um all unsere Vorteile beraubt«, antwortet er kurz angebunden. Sein Blick schweift über die Bucht. »Doch im Gegensatz zu den Spaniern werden wir nicht untätig zusehen und uns verbrennen lassen! Außerdem wird die Armada nach meinen Berechnungen nicht vor dem Morgengrauen hier aufkreuzen können. Dann werden wir aber ablaufendes Wasser haben, was nur uns nutzen wird.«
Sein Blick wandert zurück zu Howard, der bis dahin zustimmend genickt hat:
»Ich sehe das genauso. Warten wir erst einmal auf Fleming. Schon manche wollen die Armada in letzter Zeit nahe vor unseren Küsten gesichtet haben. Diesmal, denke ich, wird es allerdings stimmen. Doch sollten die Dons tatsächlich geradewegs und ohne zu zögern auf Plymouth zulaufen, werden wir mit Sicherheit die ganze Nacht zur Verfügung haben, um aus dem Sund herauszukommen. Andererseits sehe ich keine Möglichkeit,
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