Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
bleiben. Sollte es uns morgen nicht gelingen, die Armada endgültig zu schlagen, ist es Eure Aufgabe, unverzüglich die ganze englische Ostküste bis Berwick an der schottischen Grenze hinauf zu alarmieren und dafür zu sorgen, daß überall in den Häfen Proviant, vor allem aber Pulver und Kugeln bereitgehalten werden!«
Ein zögerndes: »Wie Ihr befehlt, Mylord«, kommt mir über meine Lippen. Aber im Inneren hadere ich mit dem Lordadmiral. Ich verstehe seine Entscheidung, doch den morgigen Tag, der den endgültigen Sieg über die Armada bringen soll, hätte ich lieber auf dem Flottenflaggschiff miterlebt. Ich hätte gerne den Untergang der S AN M ARTÍN mit eigenen Augen gesehen; denn Lord Howard, dessen bin ich mir sicher, würde sich nicht nehmen lassen, das Flaggschiff der Spanier selbst auf den Meeresgrund zu schicken. Nun, tröste ich mich, auch die R AINBOW wird morgen im dicksten Gewühl stecken. Obschon 300 Tonnen kleiner als die A RK R OYAL , ist die erst vor zwei Jahren von Stapel gelaufene R AINBOW der Höhepunkt Baker-Dreylingscher Konstruktionskunst! Im Rumpf zwar niedriger und schlanker als die A RK , in der Takelage jedoch ebenso hoch und damit noch schneller und wendiger als das Flaggschiff. Hinter ihren Stückpforten lauern keine plumpe Cannons oder Demi-cannons, sondern ausschließlich langrohrige Culverins, Demi-culverins, Saker und Minions, 54 Stück an der Zahl – nur eine weniger als auf der A RK -, das Beste an Schlangen, was Mayfield je hervorgebracht hat!
Montag,
der 29. Juli
Gewissenhaft schnallen mich die beiden Stewarts Lord Seymours in meinen Harnisch, stecken die Dichlinge an die Bauchreifen des Brustharnischs und schnallen sie an den Knien um die fast hüfthohen, weichen Stiefel fest, hängen die Achselflüge ein, reichen mir die Armröhren, tröpfeln in die Geschübe der Armkacheln ein wenig Öl und zupfen den Hemdkragen unter der Halsberge hervor, damit der Stahl nicht am Hals scheuert. Nach dem Gefecht vor Plymouth hatten wir mehr und mehr Teile unserer unbequemen Rüstungen in den Kajüten gelassen, da wir den Spaniern nie nahe genug gekommen waren, um ihres Schutzes zu bedürfen. Doch heute hatten mich sowohl Lord Howard wie Lord Seymour aufgefordert, die unbequeme Sicherheit auf mich zu nehmen.
Es ist kurz vor zwei, als ich an die Steuerbordreling des Kampanjedecks der R AINBOW ZU Lord Henry Seymour und den Herren seines Gefolges trete. Wir starren in die Nacht. Über uns jagen Wolken dahin, überschütten uns immer wieder mit kurzen Regengüssen. Ein steifer Südwestwind pfeift und orgelt in den Takelagen. Dann und wann blinzt ein bleicher Mond zwischen den Wolken hervor, bricht seine Strahlen in den weißen Gischtkronen. Unter unseren Füßen schwankt und rollt die R AINBOW im heftiger werdenden Wellengang. Vor uns, etwa fünf Meilen entfernt, schwoit die unüberwindliche Armada vor ihren Ankern, meist nur als gewaltige, dunkle, kompakte Masse auszumachen. Neben und hinter uns liegen die Schiffe unserer Flotte, bereit zum Sprung, die Geschütze geladen, jeder Mann auf seinem Posten, in angespannter Stille.
Zwischen uns und den Spaniern bricht sich dann und wann das Mondlicht auf einer breiten Reihe von Segeln, die sich auf den Feind zubewegen.
»O Herr, schlage die Spanier mit Blindheit, bis unsere Schiffe mitten unter ihnen sind!« betet halblaut Kapitän William Poole, während er zu uns an die Reling gehinkt kommt, um wie wir anderen auch in die Nacht hinaus zu starren. »Und bringe die tapferen Burschen, die dort vorne segeln, heil zu uns zurück!«
Bis vor einer knappen Viertelstunde hatte Kapitän Poole die Umrüstung seiner B ARK B OND zum Brander geleitet und beaufsichtigt. Er hatte dafür gesorgt, daß alles Brauchbare an Proviant und Waffen, ja sogar an Tauen, Reservesegeln und Blöcken auf die umliegenden Schiffe umgeladen wurde. Dann war sein Schiff mit brennbarem Material, Teer, Werg und trockenem Holz, vollgestopft worden, die Decks und Planken hatte man mit Öl übergossen, im Vorschiff, das als letztes vom Feuer erreicht werden würde, vier offene Pulverfässer aufgestellt, die Kanonen geladen. Mit eigener Hand hatte der Kapitän die Luntenschnüre ausgelegt, ehe die Mannschaft von Bord ging und von den anderen Schiffen aufgenommen wurde. Nur der Segelmeister John Rock war mit fünf Freiwilligen zurückgeblieben. Sie sollten das Schiff so nahe wie möglich an die Armada heransegeln, ehe sie die Lunten entzündeten und sich mit dem kleinen,
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