Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
Kleinod nichts zu sagen hast!«
»Und ob ich das habe!«
»Nichts hast du! Sonst würdest du die nächsten Tage hierbleiben!« ruft sie aufgebracht.
»Ach Gott, ach Gott – und das alles wegen eines einzigen venezianischen Spiegels …«
»Den bekomme ich! Und wage dich, ohne ihn hier aufzutauchen!«
»Ysabel, so versteh doch: Ich habe nur einen einzigen bestellt. Sollte ein zweiter vorhanden sein, bringe ich ihn dir selbstverständlich mit«, versuche ich in versöhnlichem Ton ihren Zorn zu dämpfen. Sie aber rast wie eine Furie:
»Merke dir ein für alle Male: du kannst deiner polnischen Gans in Krakau die Glaskette umhängen …«
»… geschliffen auf Murano und mit kostbaren Perlen versehen«, werfe ich ein.
»Von mir aus geschliffen und sonst was! Jedenfalls bekomme ich den Spiegel!« Die Arme fest verschränkt, blickt sie durch das Fenster in die Dunkelheit hinaus. Mit einem tiefen Seufzer fährt sie fort: »Weißt du, ich habe mich nie beklagt. Keinen Ton hast du von mir gehört. Vielleicht war das ein Fehler, denn alles was ich in den letzten Jahren getan habe, geschah ausschließlich zu deinem Nutzen. Deine kleinen Abenteuer habe ich dir vergeben, weil sie zwischen uns nichts verändert haben. Aber diese Zuchtkuh hat etwas verändert! Dabei hat sie nichts aber auch gar nichts für dich getan, außer die Beine breit zu machen, zum Empfangen ehelich legitimer Kinder. Wie kannst du mich nur so demütigen!«
»Vortrefflich, Ysabel, und danke schön auch für das verzerrte Bild meiner Undankbarkeit«, und mit dem Finger nach oben deutend, behaupte ich: »Wenigstens der da oben wird verstehen, warum es so gekommen ist«, und spontan zitiere ich einen oft benutzten Bibelspruch des Kapten: »Sand und Salz und Eisenklotz sind leichter zu tragen als ein einsichtsloser Mensch. Sirach 22, Vers 15.«
Ysabel wird wachsweiß. Schwer keucht sie: »Ich werde es nie hinnehmen, einen Menschen, den ich liebe, teilen zu müssen. Du hast mich verraten …«
Ihre Knie knicken ein wenig ein, als würde sie ohnmächtig. Schnell stütze ich sie. Schwer geht ihr Atem. Willenlos hängt sie in meinen Armen. Ich ziehe sie an meine Brust. Seit Monaten habe ich sie nicht mehr in meine Arme geschlossen. Langsam kehrt ihre Kraft zurück. Ich spüre den zunehmenden Widerstand in ihren Händen und in ihrem Körper gegenüber meiner festen Umarmung. Im Flüsterton mache ich ihr den Vorschlag:
»Verzeih mir! Wir sollten uns endlich aussprechen, und du wirst sehen, wir finden eine Lösung, mit der du leben kannst.«
Bevor sie antworten kann, hebe ich sie auf und trage sie hinüber ins Schlafgemach. Lange rede ich sanft auf sie ein, erkläre die Umstände rauf und runter und immer wieder die Vor- und Nachteile meiner Entscheidungen. Stumm liegt sie da, den Blick starr auf die Zimmerdecke geheftet. Meine Hand, die nach ihrer tastet, greift ins Leere. Keine Antwort kommt über ihre Lippen. Sie schließt die Augen.
Schweren Herzens entscheide ich mich:
»Ich bringe dir den Spiegel mit. Selbstverständlich!«
Minutenlanges Schweigen erfüllt den Raum … Dann schlägt sie die Augen auf und richtet sich mühsam halb auf:
»Gut, machen wir Frieden«, haucht sie. »Sei gewiß, ich werde nicht den Rest meines Lebens auf dem Bette der gebrochenen Ehre sterben.«
Schnell versuche ich, sie wieder in meinen Arm zu nehmen. »Dann laß uns endlich wieder zueinander …«
»Nein!« wehrt sie mich grob ab. »Jetzt nicht!«
Mir ist als treibe sie mir die Nägel der Abwehr ins Fleisch. Dann nimmt sie zu meinem Erstaunen plötzlich meinen Kopf zwischen ihre Hände, blickt mich voll an und zischt voller Bosheit:
»Wenn die Schlange vor der Beschwörung beißt, so hat der Beschwörer von seiner Kunst keinen Vorteil! Prediger 10, Vers n.« Rutscht daraufhin, als wenn nichts gewesen wäre vom Bett, zupft ihr Hauskleid zurecht, während ich versuche, den Bibelspruch aus meinem Kopf herauszubekommen. Ysabel merkt, daß ich daran kaue und setzt spöttisch hinzu: »Inzwischen habe ich meine eigene Sammlung. Ab heute seid der Kapten und du auf diesem Feld nicht mehr allein!«
Ich gehe auf ihre Bemerkung nicht ein, sondern versuche flehend zu verhindern, daß sie den Raum verläßt:
»Bitte, Ysabel, komm, setz dich noch einmal zu mir. Wir waren noch nicht fertig. Es gibt noch soviel zu …«
»Aaaah! Nichts ist so scharf wie ein sanftmütiger Mann«, geht sie sofort darauf ein. »So habe ich dich selten erlebt. Also lege los. Auf was soll ich nun
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