Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
Furnace: Die Menschen dort oben, die für mich und die Krone arbeiten, fühlen sich seit meiner Ankunft besser behandelt, versorgt und bezahlt als die meisten Zunftmitglieder direkt unterhalb des Wawel. Die drei Öfen der »Mogilany-Schmiede«, wie die meisten in Krakau sie bezeichnen, werden spätestens in zwei Wochen ihren Rauch in den klaren Himmel schicken.
Die Gußtradition Mogilanys reicht weit zurück, und manch kurioses Stück hat dort oben die Gußgruben verlassen. So sah ich, während meiner Inspektion des Arsenals von Krakau, unter den Prunkgeschützen eine im Jahre 1541 von Szymon Hauwicz in Mogilany gegossene Bastardfeldschlange von Kaliber 4 Zoll, mit dem Emblem Kwiczol, was soviel wie Krammetsvogel bedeutet, und einem Wappen darauf, das einen sechszackigen Stern in einer Mondsichel zeigt. Das Kuriose an diesem Rohr ist das Bodenstück, eine Maskarone, die als Zapfen die Miniatur eines Geschützlaufes im Maul hält. Die Inschrift allerdings dürfte dem Ruhm des Rohres weit vorauseilen und damit uneinholbar sein: D YE K RANBETVOGEL ICH WERT GNANT VELI CHER V E YNT MICH PEKANT .
Wie mir berichtet wurde, stand der 1561 verstorbene Auftraggeber, Jan Amor Tarnowski, selbst nie im Feld. Dafür überbieten sich die polnischen Rohre gegenseitig im Dekor, in der Vielfalt der Groteskenmasken, Perlstäbe und Pailletten, was auch dem Feind höchste Anerkennung abnötigen würde …
Doch was es damals in Mogilany nicht gab, gibt es zum ersten Male in diesem Winter: Die besten gebackenen Gänse von Krakau, da gleichzeitig mit dem neuen Schmelzofen und der erweiterten Formerei auch ein neuer Backofen in Ysabels Küche aufgemauert wurde. Alles zusammen genommen, hat dies in Mogilany Arbeit, Brot und Segen kräftig gefördert. Mir geht es dort oben auch besser als in der Stadt; denn neben meiner uneingeschränkten Handlungsfreiheit und den willigen Menschen um mich herum genieße ich den wesentlichsten Grund meiner Aufenthalte: meine Ysabel. Möchte ich Klementyna als mein Kleinod bezeichnen, so ist Ysabel doch eindeutig die Favoritin meiner Gefühle geblieben. Sie selbst forderte mich zwar anfangs mehrmals drastisch auf, meine Gefühle zu entwirren, was in der Forderung gipfelte, ich sollte meine Absichten, in die Montelupich-Familie einzuheiraten, aufgeben. Doch ich konnte nicht zurück, und der einmal eingeschlagene Weg konnte auch nicht mehr verlassen werden.
Ysabel reagierte aufgebracht, war kaum zu beruhigen und ich in Sorge, sie könnte mich jeden Tag verlassen. Ungeachtet dessen tauschten Klementyna und ich am Himmelfahrtstag in der Kathedrale auf dem Wawel die Ringe, und meine Södermanländer achteten ab diesem Tage nicht nur auf meine Sicherheit, sondern zusätzlich auch auf mögliche Fluchtabsichten meiner Ysabel.
Etwa bis November dauerte der Wintereinbruch zwischen uns, und ich glaubte zunächst tatsächlich, daß neben den Blättern gleich unser ganzer Liebesbaum abgestorben sein könnte. Doch mir scheint, sie hat inzwischen verstanden, daß es die familiären Umstände waren, die mir die Entscheidung hinsichtlich der Vermählung mit Klementyna aufgezwungen haben.
Der Schnee reflektiert die letzten Strahlen der flach auf dem Horizont liegenden Sonne, als die Schlittenpferde die letzte Anhöhe, auf der die Kirche errichtet ist, dampfend hinaufstampfen. Ich habe still gewartet, und der Kapten erfüllt mir prompt, ohne Anweisung, auf dem Scheitelpunkt des Hügels den Wunsch:
»Wie die Sonne aufglänzt in Gottes Himmelshöhen, so auch die Schönheit einer wackeren Frau in ihrem wohlgeordneten Haus! Sirach 26, Vers 16.«
Ich kann ihn nicht mehr hören …
»Hör mich doch wenigstens an!«
»Was?« kreischt Ysabel auf. »Ich soll schon wieder hören? Du willst mich doch mit Absicht kränken!«
»Ich will überhaupt …«
»Jetzt wirst du mir zuhören!« fällt sie mir prompt ins Wort. »Man hat dich beauftragt, Polen mit Feldschlangen zu durchseuchen. Man hat dir die Gießerei von Mogilany unterstellt. Man hat dir sogar ein Ehegespons verschafft. Aber hier an diesem Ort hast du deine Arbeit, deine Frau und dein Heim. Ich frage mich, woher du die Frechheit nimmst, deine ach so schneeweiße Taube im Käfig von Krakau so zu bevorzugen! Wer bin ich denn, daß du dieser aufgenötigten Person solche Geschenke machst und mich mit einer Glaskette abspeisen willst?«
»Was fällt dir ein …?«
»Was fällt dir ein«, erwidert sie heftig. »Ich wette, so hoch ich kann, daß du in Krakau neben deinem
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