Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
wieder verzichten?«
»Nein, du verzichtest doch dabei auf nichts.«
»Ah, wie schön. Ich habe endlich verstanden. Du bleibst also ab heute bei mir.«
»Ysabel. Warum machst du mir es nur so schwer?«
»Weil du es verdienst!«
»Ich kann im Moment nicht anders handeln. Versteh das doch endlich!«
»Klementyna erwartet dein Kind! Ich verstehe alles. Also dann geh! Hinweg! Hinweg! Nur weg!«
Mir verschlägt es die Sprache. Woher weiß sie das? Schwer finde ich meine Fassung wieder:
»Ysabel, ich kann momentan nichts daran ändern. Ich verspreche dir aber, daß ich mich bemühen werde, es im nächsten Jahr, nach der Geburt des Kindes, anders einzurichten.«
»Nach der Geburt?«
»Ich werde es durchsetzen.«
Daraufhin verfällt Ysabel wieder in Schweigen und wendet sich ab. Ein Zittern läuft durch ihren Körper. Nach einer Zeitspanne, die mir wie die Ewigkeit vorkommt, fragt sie mich:
»Wer von uns ist nun deine Frau?«
»Das bist du!« antworte ich, ohne zu zögern.
»Lüge doch nicht so schamlos. Erst die Frau, dann das Kind – und das alles in Krakau.«
Ysabels Gesicht verzerrt sich:. »Du … du … ach!« Für einen kurzen Augenblick glaube ich zu sehen, wie sich ihre rechte Hand zur Faust ballt. Unerwartet fragt sie mich auf einmal wieder mit völlig gefaßter Stimme. »Wann läßt du dich wieder nach Krakau bringen, und wann kommst du wieder hierher zurück?«
»Wenn du es wünscht, komme ich schon am Montag wieder zurück.«
»Warum geht es nicht einen Tag früher?«
»Ich kann einfach nicht. Noch nicht …«
»Überleg es dir. Es muß doch furchtbar sein, ständig eingeengt zu sein und von Wachen umkreist zu werden. Dieser Zustand ist in meinen Augen schuld daran, denn er hat dich völlig verändert. Hier kannst du dich wenigstens frei bewegen, kannst in der herrlich frischen Luft mit dem Schlitten unterwegs sein und bist nicht angekettet wie ein scharfer Hund.«
»In Krakau bewege ich mich so frei, wie ich will!«
»Das glaube ich dir nicht. Ich wette, du schaffst keine Viertelmeile ohne deine Wikingerhorde.«
»Viertelmeile? Stunden! Stunden sage ich dir, wenn ich es will!«
»Aber nicht in Krakaus Straßen.«
»Auch in Krakaus Straßen – wenn ich es will!«
»So, so! Und wann willst du?« fragt sie geringschätzig.
»Auch wenn du es nicht glauben solltest, doch morgen nachmittag werde ich ganz allein – und ganz ohne Begleitung – bis in die Abendstunden hinein, hinüber über die Weichsel nach Kazimierz gehen, im Ghetto bei meinen Freunden Besuche machen und gleichzeitig die bestellten Geschenke einsammeln.«
Ungläubig blickt sie mich an:
»Ich wußte gar nicht, daß du im Oppidum Judaeorum Freunde hast. Ich dachte, du besorgst dir die Sachen auf dem Stare Miasto. Ich habe gehört, daß die reichen Juden wieder Geschäfte im Zentrum betreiben und Warenlager in der Sukienice haben. Warum hast du mir nie etwas davon erzählt?«
»Woher soll ich wissen, daß dich das interessiert? Außerdem haben wir lange nicht mehr über diese Dinge geredet. Aber wenn es so ist, erzähle ich dir gern ein wenig davon.«
Langsam fängt der Eisblock an zu tauen, geht es mir durch den Kopf. Mit einem tiefen Blick antwortet sie wie ein kleines beleidigtes Mädchen: »Mir wäre es lieber, du würdest mich einmal dorthin mitnehmen.«
»Gut! Wir werden zusammen im Januar bei einigen Freunden Besuche machen.«
Ihre Augen blitzen wieder auf. »Bei allen, die du dort kennst?«
»Das wird nicht möglich sein, denn viele sind auf Reisen in alle Himmelsrichtungen.«
»Wer bringt dir die Sachen aus Venedig mit?«
»Sei nicht so neugierig.«
»Bitte. Du könntest wenigstens etwas davon erzählen.«
»Na gut! Mehr als die vollen Warenlager und das geschäftige Treiben gefallen mir an diesem Ort die vielen Menschen aus allen Ländern Europas. Allein auf der Tuchhändlerstraße, gleich beim Haupttor, hast du alle jüdischen Händler von Spanien bis Rußland versammelt. Dort lernte ich den wohlhabenden Jakubek Bogaty kennen, der mich mit dem Kaufmann Izaak Jakubowicz bekanntmachte. Dieser wiederum brachte mich mit Wolf Poper, Israel Isseries Auerbach und Levi Landau zusammen. Alles zum Teil junge, sehr erfolgreiche Kaufleute. Von ihnen erfahre ich so ziemlich alles, was um Polen herum geschieht. Auch werde ich dort immer gut unterrichtet über das, was sich in Venedig, Paris und London abspielt.«
»Und wer bringt den Spiegel mit?«
»Ach ja der Spiegel. Levi Landau hat ihn direkt aus Murano
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