Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
Moment klar: Unser Plan war dadurch gescheitert. Außerdem war ich mir sicher, sie wäre von ihrem Vater im gleichen Augenblick erschlagen worden, hätte er davon Kenntnis gehabt.
»Verrat! Verrat! Überall Verrat!« keuchte Löffler zu Marx Fugger, der vor ihm saß.
»Dieser durchtriebene Kerl macht mit uns, was er will …!« gab dieser entsetzt zur Antwort.
Dreyling walzte währenddessen seinen Triumph aus:
»Was soll ich also an die Polen verraten haben, wenn dort schon seit mehr als 30 Jahren alles bekannt ist? Und was konnte ich von dem Wenigen verraten, was nicht über die Handelshäuser der Fugger, der Welser, der Tänzel, der Stöckl, der Katzbecks, der Höchstetter, der Paumgartner, der Manlich oder wie sie sonst noch heißen mögen in der Welt Verbreitung fand?«
Dann ging er die Stufen zum Richtertisch hinauf und übergab Reisländer das Buch:
»Bergrichter! Ihr kennt das Buch. Nehmt es und zitiert aus den Büchern fünf und sechs, so daß klar werde, daß Bergbaugeheimnisse und Wasserkunst nur noch in Schwaz als geheim gelten.«
Reisländer nahm stumm das Buch entgegen. Auch er schien wie gelähmt.
Dreyling löste sich vom Tisch, trat bis zur ersten Stufe vor und griff erneut in sein Leinenhemd. Eine Pergamentrolle kam zum Vorschein. Auch diese streckte er zum Zeichen des Sieges in die Höhe:
»Meine Knappen!« begann er. »Manch einer von Euch ist immer noch im Zweifel, ob ich den Aufstand von 1574 verraten habe oder nicht. Auch mag sich der fünfzehnköpfige Knappenrat von damals an die wahren Begebenheiten wohl ungern erinnern. Einige sitzen heute als Geschworene dort in der Bank. Keine Erinnerungen mehr an jenen Tag? Schichtmeister Hans Peer, Bergmeister Thomas Hasl oder unser Silberbrenner Ambros Mornauer, die dort sitzen, behaupten immer noch, es existiere kein Vertrag, obwohl sie dabei waren, als mir der Reichsfreiherr von Khuen-Belasi im Namen des Fürsten die gesiegelte Urkunde auf dem freien Feld bei Hall aushändigte.
Ich aber behaupte erneut: Es gibt diesen Vertrag!
Hier ist er!«
Seine weiteren Worte gingen im Jubel und Getöse der Knappen und der Tiroler Gemeinde unter.
Von der Empörung der Gänsbäuche und Weißkrägen vor und neben mir kann ich nur ein paar Worte wiedergeben, die ich aufschnappte:
»Katastrophe!« – »Wer hat uns verraten?« – »Sprecht leiser!« - »Wißt Ihr, daß damit der Falkenstein endgültig erledigt ist?« – »Ich will damit nichts mehr zu tun haben!« – »Der abgefeimteste Spitzbube der …« – »Raus, raus sage ich!« – »Wir hätten ihn doch wegen der Kanonen anklagen sollen!« – »Habsburg mit seinen eigenen Waffen geschlagen!« – »Er ist dem Schacht entkommen!« – »Was für ein Teufel!« – »Er ist frei!« – »Verdammtes Berggericht!«
Ohne das endgültige Urteil abzuwarten, strebte die Mehrheit der Herrschaften, mit den Damen hinterdrein, wieder dem Bogengang zu. Nur Zenon Querini wählte gleich die Treppe hinunter zu den Südportalen. Meine Aufmerksamkeit galt Katharina Endorfer. Ich wollte sie stellen, doch sie war schon im Gewühl verschwunden. Als ich zum Annenaltar hinuntersah, um das endgültige Urteil abzuwarten, zog mich jemand am Ärmel:
»Herr Davido …!« Es war die Stimme von Hans Christoph, die zu mir sprach. »Herr Fugger bittet uns zu sich!«
Marx Fugger stand etwas zurückgezogen am Beginn der letzten Stuhlreihe. Um ihn herum standen Monsignore Umberto d’Angelis, Dr. Johann Dreyling zu Wagrain und Don Cristóbal Maria de Alvarez, der Beobachter der katholischen Majestät von Spanien. Als Löffler und ich hinzutraten, eröffnete der Monsignore, daß der Heilige Stuhl davon ausgehe, daß die Sache sich jetzt erledigen würde, drehte sich um und verschwand schnaufend über die Treppe. Don Cristóbal schloß sich der Meinung seines Vorredners an und wählte, ohne zu zögern, ebenfalls die Treppe.
Marx Fugger knurrte: »Hätte ich die Zwecklosigkeit dieser Verhandlung geahnt, wäre ich dem ganzen zuvorgekommen! Meine Herren, wir sind immer noch in der Pflicht. Ich erwarte Euch in einer Stunde in meinem Palais.«
Kaum waren seine Worte verklungen, als unten in beiden Chören ein unbeschreiblicher Jubel ausbrach.
Das Urteil war verkündet: Adam Dreyling war frei!
»Er war doch unschuldig!« bemerkte sein Halbbruder in versöhnlichem Ton. Daraufhin Hans Christoph voller Verachtung:
»Nehmt Abstand von diesem Gedanken, und folgt dem Gesetz der Notwendigkeit, von der sich keiner von uns freimachen
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