Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
Rauch durch den Kamin – du Nichtsnutz!«
Bartlme hebt beschwörend die Hand, als ob er dem lauernden Tod, der unaufhaltsam näher rückt, ins Auge blicken würde. »Wie soll ich das erkennen, Meister? Auch wenn die Temperatur eingehalten wird.«
»Kriech rein, dann weißt du’s«, brüllt der Herr hinauf. »Außerdem trocknet deine Pisse in der Hose dadurch schneller! Dich kenn’ ich doch, du Mißgeburt, du bist als Heizmaterial für den Ofen noch viel zu schlecht!«
Die verletzenden Worte des Meisters verfinstern das müde Gesicht von Bartlme, und der gekrümmte, geschundene Körper zuckt, als ob die Worte für ihn ebenso schmerzhaft sind wie körperliche Schläge.
Wir wenden uns ab, und ich beobachte, wie mein Onkel den Berg der Holzscheite mit seiner Handfläche prüft.
»Ich glaube, Ihr übertreibt, Onkel«, rutscht es mir heraus.
»Ich glaube nicht, daß ich darauf einen Gedanken verschwenden werde – aber wenn ich dich so reden höre, dann …«, dabei legt er seinen Kopf weit nach hinten in den Nacken und blickt mich lauernd an, »…dann regt sich wohl jetzt schon dein Mitgefühl?«
»Ich weiß nicht, ob er deine scharfen Worte verdient.«
Mein Onkel sieht mich nun mit aufgerissenen Augen an: »Aha, da schau an …«, schüttelt den Kopf und bekräftigt mit einem boshaften Lächeln um seine Lippen: »Er verdient’s!«
Sein Blick wandert langsam zum Holzstoß zurück. Daraufhin wendet er sich ebenso langsam, als ob er auf einer Gauklerbühne einen Fürsten spielen müßte, zum Ofen hin und betrachtet Bartlme oben auf den Stufen wie seine Beute:
»Verdammt noch mal, Bartlme, komm herunter!«
Die Lautstärke seiner Stimme läßt auch mich erbeben.
Der Heizknecht kriecht gebückt wie ein Hund, der die Prügel seines Herrn erwartet, die Stufen herunter. Die weit aufgerissenen, drohenden Augen meines Onkels zwingen ihn, bis auf wenige Zoll heranzutreten.
Blitzartig packt ihn Hans Christoph an seinem linken Handgelenk wie ein Schraubstock. Aufrecht stehend, zwingt ihn der Meister rechts neben sich langsam zu Boden. Obwohl die Hand Bartlmes rußverschmiert ist, wird sie durch die eintretende Blutleere bleich wie Wachs.
»Hast du gar vergessen, welches Holz zu verwenden ist, du Schafskopf?« zischt er Bartlme an, der den Meister mit schmerzverzerrtem Gesicht von unten mit weit aufgerissenem Mund anstiert, der die völlig verfaulten Zähne freigibt.
»Hab’ ich dir nicht gesagt, du Dreckskerl, daß nur das letztjährige Lawinenbruchholz zum Vorbrennen verwendet werden soll!«
»Jaha …, Meister«, wimmert von unten der Heizknecht.
Der Meister verstärkt seinen Griff, dreht gleichzeitig den Arm auf den Rücken des Geschundenen, so daß sein Gesicht fast den Lehmboden berührt.
»Das kostet dich deinen Lohn und beim nächstenmal röste ich dich wie ein Kaninchen! Verstehst du mich!«
»Jaaaa …!« ächzt vor Schmerz Bartlme, dessen Gesicht nun platt auf dem Boden aufliegt.
In diesem Moment holt der Meister mit seinem Fuß zum Schlage aus, löst den Griff und zieht den Stiefel voll über den Hinterkopf von Bartlme. In den dumpfen Ton des Aufschlags mischt sich ein Ton, der sich anhört, als zerbreche ein Hühnerbeinchen. Bartlme rollt langsam zur Seite und mit einem Stöhnen greift seine Hand in die Mitte des Gesichtes. Er wälzt sich hin und her, stöhnt vor Schmerz, indessen dick das Blut zwischen seinen Fingern hervorquillt.
»Hau ab und hol das richtige Holz herbei, anstatt herumzuliegen. Unverzüglich!«
Mit Jähzorn im Gesicht verpaßt ihm der Meister, während Bartlme versucht wegzukriechen, einen zweiten brutalen Tritt, diesmal ins Hinterteil, der ihn durch den Ausgang zum Innenhof hin beschleunigt.
»Der verdammte Kerl!« bemerkt der Meister und klopft sich den Staub von Ärmeln, Hemd und Wams. »Alles klar?« grinst Hans Christoph mir zu. »Hast du gesehen? Er verdient sich’s täglich! Doch täusch dich nicht, Adam. Er ist mein bester Mann am Ofen. Er kann’s mit dem Heizen und den Temperaturen am besten – aber nur, wenn die Angst ihn täglich trifft. Ansonsten ist er ein Arschloch!«
Stiefonkel Hans Christoph muß meine Gedanken erraten haben, denn er lacht mich lauthals aus.
»Schiff doch drauf, Adam!« Dabei legt er wieder den Arm um meine Schulter. »Hör mal, im Berg geht’s doch auch nicht zimperlich zu. Du kennst doch die faulen Säcke nur zu gut. Davon hattet ihr doch auch nicht zu wenig?«
Grundsatz drei, schießt mir die Regelordnung von Max durch den Kopf, und
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