Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
Mann.«
»Frau, sei friedlich«, meldet sich die Stimme meines Onkels. Hörbar befindet er sich im Zwiespalt. Soll er sie ordentlich zurechtweisen und ihr den Mund verbieten, oder soll er sich die Aussicht auf die sanften Stunden nicht verbauen, die ihm in der Schlafkammer winken?
Frau Elisabeth wird ihn eh zappeln lassen, bis sie alles weiß, schießt es mir durch den Kopf. Sie muß auf dem Gang gelauscht haben.
Die Tür fällt mit einem Schlag ins Schloß.
»So, jetzt ist sie zu. Diese Frau …« Der nachhängende Seufzer wird durch einen kräftigen Zug aus dem Weinglas abgekürzt.
»Wo waren wir denn stehengeblieben?«
»Bei den Pfaffen und den Kreuzzügen.«
»Richtig! Ja, also: Kurzum, die Katalanen hatten den Vorteil nur für eine kurze Zeit auf ihrer Seite; denn das größte Übel in der damaligen wie in unserer Zeit ist der Eifer, mit dem die Zünfte herumschnüffeln und überall Ausschau halten nach Verbesserungen in der Waffenherstellung.«
»Und warum ist dieser Eifer so groß?«
»Das will ich dir sagen: … ja, mhm, der Eifer … Wir sind halt nur ganz wenige, die verstehen, den steinigen Boden mit Stallmist so gut zu verbessern, daß etwas aus ihm wächst. Wie der Bauer sich über den hohen Stand seines Getreides freut, weil er über den Boden seine Jauche gegossen hat, so haben wir, die Löffler, den fruchtbaren Geist von unseren Vätern geerbt, damit man sich ab und zu einer neuen Waffe erfreuen kann. Aber kaum hast du was an einer Rüstung, an einem Schwert, Armbrust oder Hackenbüchse verbessert, schon versucht jeder Gekrönte und jeder Fürst in seinem Land das gleiche herzustellen.
Trink endlich dein Glas aus, Bub!«
Mit einem Zug leere ich mein Glas, das alsbald neu gefüllt wieder in meiner Hand ruht.
»Besondere Geilheit entwickeln die beim Auskundschaften von Gußtechniken für die Herstellung von Kanonen. Das wirst du bald merken. Die Stierigkeit wird nur noch übertroffen nach dem Wissen, wie aus Blei Gold gemacht werden kann.«
»Verstehst du was davon?«
Mein Onkel blickt zum Boden.
»Nnnein! Eigentlich nicht. Alles nur Zauberei und Magie. Darauf versteh’ ich mich nicht.«
Ich erinnere mich an die Gesprächsfetzen zwischen Pantaleon und Pietro, die ich vor dem Metallager mitbekommen habe. »Hast du wirklich noch nie ein Rezept ausprobiert, Onkel?«
»Hör auf mit deiner Fragerei!« Seine Augen verengen sich gefährlich. »Rezepte, Rezepte, Rezepte! Jeder meint, wenn er die Schriften von Galenus oder Albertus gelesen hat, kenne er jenes Geheimnis, wie aus unedlem Metall reines Gold zu machen ist.«
»Ich habe nichts von diesen Leuten gelesen.«
»Sei froh, das verwirrt dich nur. Was für dich wichtig und gut ist, bestimme ich für die nächsten Jahre. Wenn einer aber hier das Rätsel schon lösen soll, dann bin ich es – und sonst niemand. Hast du das verstanden?«
»Ist schon gut, Onkel. Mich interessiert eben nur alles, was dich interessiert. Ich denke mir nur, wenn ich dein Vertrauen besitze, daß ich auch alles mit dir besprechen kann.«
»Das kannst du nicht nur, du sollst es sogar! Darauf will ich hinaus. Hör zu! Wie gesagt, als ob Hexen auf Besen unterwegs wären, verbreitet sich heute alles Neue, besonders vom Kanonenguß, mit außergewöhnlicher Schnelligkeit von Hof zu Hof, von Werkstatt zu Werkstatt, von Gießerei zu Gießerei und von einem Heerlager zum nächsten.
Und nun frage ich dich: Wer trägt es mm? Wer sind die feindlichen Kreaturen, die zum Schluß die fütternde Hand beißen? Na wer wohl? Mhm …?«
»Deine eigenen Männer …?« gebe ich vorsichtig fragend zurück.
»Na endlich!« ruft Hans Christoph und springt mit Zorn im Gesicht auf. »Sie, nur sie allein sind die Halunken. Ganz besonders Pantaleon und Pietro. Den Toni bin ich rechtzeitig los.« Hans Christoph dreht zwischen Kamin und Schreibtisch Kreise. »Ich gebe ihnen Arbeit, bilde sie aus, zahle sie gut, mache sie zu wertvollen Gesellen, aber das reicht ihnen nicht. Du hast es heute selbst gehört. Glaub mir, der Meistertitel, nach dem sie gieren, ist nur vorgeschoben. Sobald sie alle Zusammenhänge kennen, sind sie auf und davon nach Italien, Nürnberg, nach Polen oder gleich zu den Türken. Wenn sie nur ihr Wissen vergoldet bekommen. Denn wer vom Löffler kommt, erhält sofort den Vorzug mit allen Privilegien. Damit ist jetzt Schluß!«
Mit einem Male bleibt er vor mir stehen, blickt auf mich herunter, seine beiden Arme umgreifen die Lehnen meines Sessels und sein Kopf kommt
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