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Der Meister

Der Meister

Titel: Der Meister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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empfinden Sie?«
    Eine lange Pause. »Lust.«
    »Es ist also ein gutes Gefühl?«
    »Ja.«
    »Beschreiben Sie es mir.«
    »Wollen Sie es wirklich wissen?«
    »Es ist der zentrale Gegenstand meiner Forschung, Warren. Ich möchte wissen, was Sie empfinden, wenn Sie töten. Das ist keine krankhafte Neugier. Ich muss wissen, ob Sie irgendwelche Symptome wahrnehmen, die auf neurologische Abnormitäten hindeuten könnten. Kopfschmerzen zum Beispiel. Ungewöhnliche Geschmacks- oder Geruchseindrücke.«
    »Der Geruch von Blut ist sehr angenehm.« Er hielt kurz inne. »Oh, jetzt habe ich Sie wohl schockiert.«
    »Fahren Sie fort. Sprechen Sie über das Blut.«
    »Ich habe früher damit gearbeitet, wie Sie vielleicht wissen.«
    »Ja, ich weiß. Sie waren in einem Labor beschäftigt.«
    »Für die meisten Menschen ist Blut nur eine rote Flüssigkeit, die in unseren Adern kreist. Wie Motoröl. Aber in Wirklichkeit ist es etwas sehr Komplexes und Individuelles. Das Blut jedes Menschen ist etwas Einmaliges. So wie auch das Töten. Es lässt sich nicht verallgemeinern.«
    »Aber Sie haben das Töten immer als lustvoll empfunden?«
    »Manchmal war es ganz besonders intensiv.«
    »Nennen Sie mir ein Beispiel. Einen Fall, der Ihnen ganz besonders in Erinnerung geblieben ist. Gibt es da etwas?«
    Er nickte. »Da ist eine Sache, an die ich ständig denken muss.«
    »Mehr als an die anderen?«
    »Ja. Sie lässt mir keine Ruhe.«
    »Wieso?«
    »Weil ich es nicht zu Ende geführt habe. Weil mir der Genuss versagt geblieben ist. Das ist so, als ob es einen irgendwo juckt und man sich nicht kratzen kann.«
    »Wenn Sie es so formulieren, klingt es direkt trivial.«
    »Wirklich? Aber auch ein noch so triviales Jucken nimmt nach einer gewissen Zeit Ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Es ist immer da, ein ständiges Kribbeln auf Ihrer Haut. Sie wissen vielleicht, dass eine Form der Folter darin besteht, das Opfer an den Fußsohlen zu kitzeln. Anfangs denkt man sich gar nichts dabei. Aber dann geht es immer weiter, Stunden, Tage, ohne Unterlass. Und dann wird es zur grausamsten Form der Folter. Ich habe, glaube ich, in meinen Briefen erwähnt, dass ich mit der Geschichte der Grausamkeit unter Menschen recht gut vertraut bin. Mit der Kunst, anderen Schmerzen zuzufügen.«
    »Ja. Sie haben mir über Ihr … äh … Interesse an diesem Thema geschrieben.«
    »Zu allen Zeiten haben die Folterer gewusst, dass auch das kleinste körperliche Unbehagen zur unerträglichen Qual werden kann, wenn es nur lange genug andauert.«
    »Und dieses Jucken, von dem Sie sprachen – ist das auch unerträglich geworden?«
    »Es lässt mich nachts nicht schlafen. Wenn ich daran denke, wie es hätte sein können – an die Lust, die mir verwehrt blieb. Mein Leben lang habe ich immer größten Wert darauf gelegt, alles zu Ende zu führen, was ich einmal begonnen hatte. Deshalb ist mir diese Sache so ein Dorn im Auge. Ich muss ständig daran denken. Die Bilder gehen mir unentwegt durch den Kopf.«
    »Beschreiben Sie diese Bilder. Sagen Sie mir, was Sie sehen, was Sie empfinden.«
    »Ich sehe sie. Sie ist anders, ganz anders als die anderen.«
    »Inwiefern?«
    »Sie hasst mich.«
    »Die anderen haben Sie nicht gehasst?«
    »Die anderen waren nackt und hilflos, in Panik. Besiegt. Aber diese eine sträubt sich immer noch gegen mich. Ich spüre es, wenn ich sie berühre. Ihre Haut vibriert vor rasender Wut, als stünde sie unter Strom – obwohl sie genau weiß, dass ich sie besiegt habe.« Er beugte sich vor, als ob er der Kamera seine intimsten Gedanken anvertrauen wollte. Er sah nicht mehr O’Donnell an, sein Blick war auf das Objektiv gerichtet, als könne er hindurchsehen und Rizzoli direkt in die Augen blicken. »Ich spüre ihre Wut«, sagte er. »Ich sauge ihren Zorn in mich auf, wenn ich nur ihre Haut berühre. Sie ist wie siedendes Metall. Flüssig, gefährlich. Reine Energie. Ich habe mich noch nie so mächtig gefühlt. Ich will dieses Gefühl wieder erleben.«
    »Erregt es Sie?«
    »Ja. Ich denke an ihren Hals. Er ist sehr schlank. Sie hat einen wunderschönen, weißen Hals.«
    »Woran denken Sie noch?«
    »Ich denke daran, wie ich sie ausziehe. Wie fest ihre Brüste sind. Und ihr Bauch. So ein schöner, flacher Bauch …«
    »Ihre Fantasien über Dr. Cordell sind also sexueller Natur?«
    Er hielt inne – er blinzelte, als habe sie ihn aus einer Trance wachgerüttelt. »Dr. Cordell?«
    »Über sie reden wir doch gerade, oder nicht? Die Frau, die zu töten

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