Der Meister
Stück beäugte wie einen Goldklumpen. Wo Rizzoli nur eine zufällige Ansammlung von schmutzigen Knochen sah, wirr und unförmig wie ein Haufen dürrer Zweige, erkannte Dr. Pepe Speichen, Ellen und Schlüsselbeine, die er zügig identifizierte und entsprechend ihrer anatomischen Position auf dem Tisch anordnete. Lose Rippen klapperten auf dem stoffüberzogenen rostfreien Stahl.
Die Wirbel formten sich zu einer höckrigen Kette, die entlang der Mitte des Tisches zu dem an eine bizarre Königskrone erinnernden hohlen Ring des Beckens führten. Die Armknochen fügten sich zu spindeldürren Gliedmaßen, an deren Enden sich kleine Haufen schmutziger Kiesel anzuschließen schienen. Tatsächlich handelte es sich um die winzigen Knöchlein, die der menschlichen Hand ihre wundersame Beweglichkeit verleihen. Auf den ersten Blick waren die Spuren einer alten Verletzung zu erkennen: Der linke Oberschenkelknochen war mit einem Stahlnagel fixiert. Am Kopfende des Tisches platzierte Dr. Pepe den Schädel und den abgetrennten Unterkiefer. Durch eine Schmutzkruste schimmerten Goldzähne hindurch.
Endlich waren alle Knochen ausgelegt. Aber noch war die Kiste nicht ganz leer.
Er drehte sie um und schüttete den restlichen Inhalt auf ein Tablett, das mit einem Tuch abgedeckt war. Ein Schwall von Erde und Laub und verfilzten braunen Haaren ergoss sich auf den Stoff. Pepe richtete den Strahl einer Lampe auf das Tablett und begann mit einer Pinzette in dem Haufen herumzustochern. Nach wenigen Sekunden hatte er bereits gefunden, wonach er gesucht hatte: ein winziges schwarzes Klümpchen, geformt wie ein dickes Reiskorn.
»Ein Puparium«, sagte er. »Oft irrtümlich für Rattenkot gehalten.«
»Das hätte ich auch gesagt«, meinte Korsak. »Rattenkötel.«
»Hier sind eine ganze Menge davon. Man muss nur wissen, wonach man zu suchen hat.« Dr. Pepe fischte noch einige weitere schwarze Körner heraus und legte sie auf einen separaten Haufen. »Spezies Calliphoridae. «
»Was?«, fragte Korsak.
»Schmeißfliegen«, sagte Gabriel Dean.
Dr. Pepe nickte. »Das hier sind die Hüllen, in denen die Larven der Schmeißfliege heranwachsen. Es ist das Exoskelett – so etwas wie ein Kokon – für die Larven im dritten Entwicklungsstadium. Daraus schlüpfen sie dann als ausgewachsene Fliegen.« Er schob das Vergrößerungsglas über die Puparien. »Sie sind alle leer. Die Fliegen sind bereits geschlüpft.«
»Wie lange ist der Entwicklungszyklus von Calliphoridae in unseren Breiten?«, fragte Dean.
»Um diese Jahreszeit sind es etwa fünfunddreißig Tage. Aber sehen Sie, wie stark sich diese beiden Puparien hinsichtlich Färbung und Verwitterungsgrad unterscheiden? Sie gehören alle ein und derselben Spezies an, aber diese Hülle war den Witterungseinflüssen länger ausgesetzt als die anderen.«
»Zwei verschiedene Generationen«, sagte Isles.
»Das wäre auch meine Vermutung. Es würde mich interessieren, was der Entomologe dazu zu sagen hat.«
»Wenn jede Generation fünfunddreißig Tage braucht, bis sie voll entwickelt ist«, sagte Rizzoli, »können wir dann davon ausgehen, dass die Leiche siebzig Tage lang den Elementen ausgesetzt war? Hat sie schon so lange dort draußen gelegen?«
Dr. Pepe warf einen Blick auf die Knochen auf dem Autopsietisch. »Was ich hier sehe, wäre nicht unvereinbar mit einem postmortalen Intervall von zwei Sommermonaten.«
»Können Sie keine genauere Aussage machen?«
»Nicht bei einer skelettierten Leiche. Dieses Individuum könnte zwei Monate dort im Wald gelegen haben, vielleicht aber auch sechs Monate.«
Rizzoli sah, wie Korsak die Augen verdrehte. Bislang war er von diesem Knochenexperten noch nicht sonderlich beeindruckt.
Aber Dr. Pepe legte jetzt erst so richtig los. Als Nächstes wandte er sich den Überresten auf dem Tisch zu. »Ein einzelnes Individuum weiblichen Geschlechts«, stellte er fest, während er den Blick über die ausgelegten Knochen schweifen ließ. »Eher klein gewachsen – nicht viel größer als ein Meter fünfundfünfzig. Diverse verheilte Frakturen sind deutlich zu erkennen. Wir haben hier einen alten Splitterbruch des Oberschenkels, der mit einem Metalleinsatz behandelt wurde.«
»Sieht aus wie ein Steinmann-Nagel«, sagte Isles. Sie deutete auf die Lendenwirbelsäule. »Und sie hatte eine OP zur Wirbelsäulenversteifung an L2 und L3.«
»Multiple Verletzungen?«, fragte Rizzoli.
»Diese Frau hat jedenfalls ein schweres Trauma erlitten.«
Dr. Pepe fuhr mit seiner
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