Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Meisterdieb und seine Feinde

Der Meisterdieb und seine Feinde

Titel: Der Meisterdieb und seine Feinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
Vom Netzwerk:
Reißverschlusstasche am rechten Knie
und ließ den Strahl aufblitzen. „Ich geh in der Mitte. Ihr übernehmt die
Flanken. Wer ein Gespenst sieht, ruft um Hilfe, hähäh.“
    Sie trampelten los. Kurt, der
sich links hielt, hatte den Schnaps nur für einen kurzen Moment als Erwärmung
im Magen gespürt. Jetzt überkam den 20-Jährigen wieder dieses gefürchtete
Gefühl, ausgelaugt zu sein wie ein Putzlappen: mit rheumaartigem Schmerz im
ganzen Körper, plötzlichem Schweißausbruch, Darmkrämpfen und einer zittrigen
Schwäche, dass er glaubte gleich umzufallen.
    Kurt blieb stehen und holte
eine Blechschachtel aus der Brusttasche. Die Schachtel war flach wie eine
Creme-Dose, der Deckel ließ sich schrauben, der Inhalt bestand aus feinem
grauem Pulver: Hellpush, eine Designerdroge ( künstlich, synthetisch) mit
zweifacher Wirkung. Sie putschte auf bis zum Wahnsinn, was immer mit maßlos
gesteigerter Aggression einherging. Zum anderen vernichtete sie die
Gehirnzellen schon nach kurzer Abhängigkeit. Allerdings erlebten die Süchtigen
den Zustand der totalen Verblödung nur selten. Meistens starben sie vorher
durch den Ausfall wichtiger Funktionen, die das Gehirn nun mal steuert.
    Aber Kurt war jetzt enorm gut
drauf und joggte über die Gräber.
    Gaby war den Hauptweg
hinuntergehetzt und verbarg sich nun hinter den Monumenten einer Familiengruft.
Außer Atem zog sie ihr Handy hervor. Zweimal verwählte sie sich. Dann wurde ihr
bewusst, dass sie Tims Nummer gewählt hatte. Doch dessen Taschen-Fernsprecher
lag ja vermutlich im Adlernest. Klößchen hatte garantiert nur sein eigenes
Handy mitgenommen.
    Gaby wählte seine Nummer. Dabei
horchte sie in den Regen und auf die Schritte der Verfolger.
    Klößchen, melde dich!, dachte
sie.
    Auf dem Display leuchtete seine
Nummer wie ein Zeichen der Hoffnung.
    „Willi Sauerlich zu später
Stunde“, hörte sie seine Stimme.
    „Ich bin’s.“ Gaby dämpfte die
Stimme. „Ich brauche Hilfe. Ganz schnell. Ich bin auf dem Friedhof. Drei Typen
verfolgen mich. Sind schon hier. Ist Tim bei dir?“
    Sekundenlang war Stille. Dann
hörte sie Tims Stimme — mit unendlicher Erleichterung.
    „Pfote, bleib wo du bist.
Versteck dich! Ganz ruhig sein. Auf dem Friedhof kann dich niemand finden. Ich
bin schon auf dem Weg. Aber es dauert einen Moment. Leider sind wir bereits bei
der Pauls-Kirche. Willst du noch was sagen?“
    „Nein!“, hauchte Gaby. „Ich
höre sie kommen.“
    Sie schaltete aus.
    Widersprüchliche Gefühle
erfüllten sie. Einerseits hatte sie Angst, dass die Typen sie entdeckten.
Andererseits empfand sie Beruhigung und Sicherheit, denn Tim würde sich die
Lunge aus dem Hals biken, um rechtzeitig hier zu sein — zu ihrer Rettung.
Allerdings — die Strecke bis zur Pauls-Kirche war weit. Das große Gotteshaus
steht südlich der Innenstadt. Selbst wenn Tim Rekordzeit fuhr — unter einer
halben Stunde ging nichts.
    So lange, dachte Gaby, muss ich
hier aushalten.
    Erst mal hielt sie den Atem an.
Denn auf dem nahen Hauptweg knirschten Schritte im Kies. Eine Taschenlampe
blitzte auf. Der Strahl glitt über Gräber und Büsche, richtete sich auf die
Familiengruft und leuchtete die Monumente ab, die sie schmückten: Zwei
steinerne Engel, überlebensgroß, mit ausgebreiteten Flügeln, die in Wind und
Wetter eine schimmlige Moosschicht angesetzt hatten.
    Gaby kauerte hinter dem Sockel.
Als das Lampenlicht weiterglitt riskierte sie ein Auge, zuckte aber sofort
zurück — denn das Licht wanderte wieder zu ihrem Engel.
    Dann schrak sie zusammen, hätte
fast aufgeschrien.
    Wenige Schritte neben ihr, aber
im Dunkeln, grölte Kurt. Offenbar war er über den Rasenstreifen gelaufen —
jedenfalls hatte er sich lautlos genähert.
    „Siehst du was, Iwan?“
    „Klar sehe ich was. Steine
voller Vogelkacke und verdorrte Primeln. Aber keine Bullentochter.“
    „Vielleicht ist sie in einen
Sarg gekrochen, hähäh. Wo ist Wolfgang?“
    „Hier“, antwortete die
Quäkstimme von der anderen Seite und beträchtlich entfernt. „Wir brauchen mehr
Licht. Wenn die Tussi sich tot stellt, fällt sie unter all den Toten nicht auf.
Wir sollten das Tor knacken und unsere Öfen reinholen. Mit voller Beleuchtung
rumfahren. Dann sehen wir unser Wild.“
    „Klasse Idee!“, lobte Iwan.
„Los, machen wir’s!“
    Er kehrte um, ließ die Lampe
eingeschaltet und sockte zurück. Da er sich jetzt zwischen der Helligkeit und
Gaby befand, konnte sie seine Silhouette ausmachen, den Umriss seiner plumpen
Gestalt. Der

Weitere Kostenlose Bücher