Der Memory Code
erscheinen.
In der Hillhouse Avenue Nr. 51 angekommen, betrat Josh das Gebäude. Er war froh, wieder im Trockenen und den schlimmsten Windböen entkommen zu sein. Als Gabriella die Tür aufmachte und ihn sah, spielte der Anflug eines Lächelns um ihre Lippen. Hinter ihr stand, wie Josh flüchtig erkannte, ein hochgewachsener, grauhaariger Herr.
“Ich bin ein bisschen früh dran”, entschuldigte sich Josh. “Ich dachte, wir könnten vielleicht vorher noch etwas trinken. Es sei denn, Sie sind beschäftigt.”
“Nein, wäre mir recht. Kommen Sie rein”, sagte sie und stellte ihn ihrem Vater vor.
Die beiden Männer begrüßten sich mit Handschlag. Als seine Tochter ihm erklärte, wie sie Josh kennengelernt hatte, musterte Peter Chase ihn misstrauisch und wandte sich an Gabriella. “Wenn’s nicht zu lange dauert, warte ich unten auf euch, und wir können vor meiner heutigen Fakultätssitzung noch einen Happen essen gehen.”
“Danke für die Einladung, aber ich bin schon mit Josh und Dr. Samuels zum Dinner verabredet. Das weißt du doch!”
“Du stehst immer noch unter Schock”, beharrte ihr Vater. “Wegen des Einbruchs hier. Ich finde, du solltest mit nach Hause fahren und dir Ruhe gönnen.”
“Ruhe, Professor Chase”, bemerkte Josh, “Ruhe bringt Ihre Tochter womöglich um den Verstand.”
Der Professor beäugte ihn verstimmt. War er verärgert, dass Josh sich einmischte und den Eindruck erweckte, als kenne er Gabriella so gut? Oder betrachtete er es als anmaßend, wenn man ihm widersprach?
Josh wunderte sich über sich selber. Nicht wegen der Einmischung, sondern weil er dermaßen genau vorausahnte, wie der Rest des Abends für Gabriella verlaufen würde, falls sie nach Hause ginge. Das Prasseln des Regens. Ihr schlafendes Kind. Ein leeres Schlafzimmer. Eine Nacht voller Melancholie. Nein. All das hätte ihre Unruhe nur noch gesteigert.
“Und woher wollen Sie wissen, was gut für meine Tochter ist?”
Gabriella zwinkerte Josh zu. “Er hat recht, Dad. Das Letzte, was ich jetzt brauche, ist zu Hause herumsitzen und grübeln. Ich komme schon klar.”
“Ich kann die Sitzung auch absagen”, bot ihr Vater an.
Sie winkte ab. “Das fehlte noch!”
“Na gut, von mir aus”, grummelte er, “aber ich bin bis neun wieder zu Hause.”
“Meinetwegen brauchst du dich nicht zu beeilen.”
“Es gefällt mir eben nicht, dass du bei diesem Gewitter nachts in der Gegend herumgondelst.”
“Ich fahre ihr jetzt bis nach Hause hinterher, Professor. Dann kann sie den Wagen stehen lassen, und ich chauffiere sie zum Essen und zurück.” Er wusste nicht recht, ob er Gabriellas Vater damit beruhigte oder im Gegenteil noch mehr aufregte. Sicherer war es auf jeden Fall, doch sonderlich zufrieden guckte Chase noch immer nicht drein.
“Nun fahr schon, Dad! Sonst kommst du noch zu spät zu deiner Sitzung. Ich schaffe das schon. Josh kümmert sich um mich.” Sie gab ihrem Vater einen Gutenachtkuss. Bevor der Professor sich trollte, bedachte er Josh mit einem langen, stahlharten Blick, mit dem er vermutlich sämtliche Kavaliere seiner Tochter durchbohrt hatte, seit die zu ihrem ersten Date ausgegangen war.
Während der Fahrt zum Restaurant lenkte Josh sie mit Fragen über ihre Tochter ab, und anscheinend erzählte Gabriella mit Begeisterung die kleinen alltäglichen Wunder, die man erlebt, wenn man ein dreijähriges Kind hat. Wenn sie über die Kleine sprach, fiel die Spannung offenbar von ihr ab, und auch aus ihrer Stimme verschwand der verkrampfte, nervöse Unterton.
“Wie ist das, mit Ihrem Vater zu leben?”
“Ihm und Quinn tut es gut.”
“Und Ihnen?”
Sie antwortete nicht gleich. “Für Quinn ist es wichtig, dass ein Mann im Haus ist. Außerdem hätte ich nie nach Rom fliegen können, wenn mein Vater nicht gewesen wäre.” Irgendetwas verschwieg sie, aber Josh beließ es dabei.
“Hatten Sie mir nicht erzählt, Sie hätten ein Kindermädchen?”
“Habe ich auch. Ich hatte schon etliche, aber es wäre mir nicht geheuer, die Kleine über Nacht nur bei einem Kindermädchen zu lassen, ohne dass mein Vater auch da ist.”
“Etliche Kindermädchen? Wieso? Kommt man mit Ihnen so schwer aus?”
Am liebsten hätte er ihr ganz andere Fragen gestellt, aber so weit war sie noch nicht, das war ihm klar.
“Aber hallo!”, betonte sie ironisch.
Es gefiel ihm, dass ihr Humor so ansteckend wirkte und seine Laune hob. “Kann ich mir gar nicht vorstellen.”
“Und ich hätte nicht gedacht, dass ich
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