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Der Memory Code

Der Memory Code

Titel: Der Memory Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.J. Rose
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Ausgrabung, an der sie arbeite. Alice nahm ihr zwar nicht ab, dass dies der ganze Grund für den nächtlichen Besuch war, doch offenbar mochte sie Gabriella gern und kannte sie gut genug, um sie nicht zu drängen.
    Alle drei setzten sich mit ihren Bechern an den Küchentisch, und Gabriella breitete die Auswahl an mitgebrachten Fotografien aus.
    Als Alice die Aufnahmen in Augenschein nahm, fiel Josh auf, dass sie allesamt zu denen gehörten, die er sich damals heimlich in Gabriellas Wohnung in Rom angeschaut hatte. Verdammt! Wieso war ihm, als er von dem zweiten Einbruch hörte, nicht gleich aufgegangen, auf was die Einbrüche abzielten? Er hätte Gabriella warnen können; dann hätte sie vermutlich besser auf ihr Töchterchen aufgepasst. Gerade er hätte ahnen müssen, zu welchen Mitteln jemand greifen würde, um an diese Informationen heranzukommen. Er wusste doch, wie verzweifelt er selber danach forschte! Und dabei wollte er die Steine nicht einmal zur Erlangung von Reichtum und Macht nutzen, sondern nur beweisen, was sich angeblich nicht beweisen ließ.
    “Bei manchen sind die Zeichenkanten schwer zu erkennen”, bemerkte Alice. “Hast du vielleicht auch Fotos unter anderen Lichtverhältnissen?”
    “Nein.” Gabriella konnte ihre Panik kaum noch verbergen. Die Ruhe war nur Fassade.
    “Das haben wir gleich.” Alice verließ die Küche und kam zehn Sekunden später mit einer Lupe zurück.
    Mehrere Minuten vergingen. Bedächtig und methodisch inspizierte Alice sämtliche Fotografien, während draußen der Regen in gleichförmigem Rhythmus gegen die Fensterscheiben trommelte. Weder Josh noch Gabriella sagten ein Wort.
    “Wenn ich die da von unten beleuchten könnte …”
    “Meine Schuld. Ich hätte bei den Nahaufnahmen noch näher rangehen sollen. Und die Ausleuchtung hätte auch besser sein können.”
    Alice legte ihr die Hand auf den Arm. “Sich hinterher Vorwürfe zu machen – das führt zu nichts.” Dann nahm sie sich wieder die Bilder vor. Das Warten fiel Josh schon dermaßen schwer, dass er sich lieber nicht ausmalen mochte, welche Qual es erst für Gabriella bedeutete. Er nahm ihre Hand und hielt sie fest.
    “So etwas sehe ich zum ersten Mal. Könnte eine Form von Sanskrit sein, lässt sich aber nicht mit Sicherheit sagen. Oder Indus-Schrift … In diesem Fall wäre ich überfragt. Mit Indus-Schrift hatte ich noch nie zu tun. Da gibt es kaum jemanden.”
    “Kaum jemanden?” Gabriella versagte fast die Stimme.
    “Lass mich ein bisschen herumtelefonieren.”
    “Jetzt? Wirst du anrufen? Bitte!”
    “Es ist mitten in der Nacht, und ich weiß nicht, ob …”
    “Bitte, Alice! Es ist sehr wichtig!” Das Flehen in ihrer Stimme war unüberhörbar und so klagend, dass Josh ein Schauer über den Rücken rann. Die Stimme einer verzweifelten Mutter.
    Alice reagierte auf ihre Weise, egal, ob bewusst oder unbewusst. Für eine Weile neigte sie den Kopf, als sei Beten die einzig mögliche Antwort auf Gabriellas Bitte.

55. KAPITEL
    D enver, Colorado – Mittwochmorgen, 08:24 Uhr
    Der Anruf erfolgte nur Minuten nach ihrer Landung auf dem Flughafen. Soeben hatte die Flugbegleiterin den Passagieren mitgeteilt, sie dürften ihre Mobiltelefone jetzt, da die Maschine zum Flugsteig rollte, wieder einschalten. Gabriella klappte ihr Handy auf, rief hastig ein “Hallo?” hinein und lauschte regungslos, den Blick wie gebannt auf den Sitz vor ihr geheftet.
    Eine ganze Weile blieb sie stumm. Dann: “Bitte, sagen Sie mir – wie geht es Quinn? Warum darf ich nicht mit ihr sprechen? Wo sind die beiden? Ja, ja, ich bin ja dabei … Ich sitze noch im Flieger …”
    Was immer der Anrufer am anderen Ende der Leitung auch von sich gegeben haben mochte – es versetzte sie in Todesangst, und sie schaute in die Runde, als müsse sie sich vergewissern, dass niemand lauschte. “Nein, mache ich nicht. Alles klar. Ich verstehe.” Ihre Stimme war jetzt leiser, flüsternd fast und mühsam beherrscht. “Aber wieso kann ich nicht mit meiner Tochter sprechen?”
    Stille.
    “Und wenn ich es nicht schaffe? Bis Freitag sind es nur … Was, wenn es länger dauert?”
    Ein banger Unterton lag in ihrer Stimme; ihre Augen waren geschlossen, und sie umklammerte das kleine, silberfarbene Telefon so krampfhaft, dass es aussah, als würde das Gehäuse gleich zerspringen.
    “Warten Sie … Hallo? Hallo? Bitte, nicht auflegen …”
    Die Leitung war anscheinend tot.
    Hektisch klappte Gabriella das Handy zu, dann wieder auf, rief die Nummer

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