Der Memory Code
Rollins, Geller – ihr würdet euch doch gleich unter den ersten zehn Einträgen wiederfinden.”
Gabriella griff nach seiner Erklärung, klammerte sich daran fest und wirkte vorübergehend beinahe erleichtert. Dann aber verflüchtigte sich der kurzzeitige Trost. “Es war bloß eine Ausgrabung, eine wie viele andere … und nun? Wie viele Menschen schweben meinetwegen in Gefahr? Wegen der Steine? Rudolfo ist tot. Der Wachmann tot. Meine Tochter und Bettina wurden entführt. Alice wird möglicherweise bedroht. Und jetzt auch noch Rollins! Er hat eine Frau und drei Kinder. Du solltest Malachai und seine Tante warnen! Eventuell sind auch sie ihres Lebens nicht sicher. Und du – für dich gilt das ganz besonders, Josh!”
“Schluss jetzt!” Er wischte ihre Tränen fort und strich ihr eine Locke aus der Stirn. “Das wird schon! Das stehen wir jetzt durch. Wir alle gemeinsam. Du und ich und ganz besonders Quinn. Wer immer auch im Besitz der Juwelen sein mag – er benutzt deine Tochter zwar als Druckmittel, um die benötigten Informationen aus dir herauszupressen, aber er hat nicht vor, ihr etwas anzutun. Oder Bettina. Oder Rollins. Ganz bestimmt wollte er auch nicht Rudolfos Tod. Der Räuber war doch schon auf dem Rückzug, auf der Flucht sogar! Der hätte nie auf den Professor geschossen, wenn der ihn nicht festgehalten hätte.”
Der Ausdruck in ihren Augen jedoch verriet ihm, dass sie ihm nicht glauben konnte. Man mochte es ihr auch wahrlich nicht verdenken.
Die nächste halbe Stunde blieb nichts weiter zu tun, als sich zu fügen und zu warten. Gabriella seufzte mehrmals ungeduldig, und genauso oft schaute sie auf ihre Armbanduhr. Josh zückte derweil sein Mobiltelefon und stellte fest, dass er drei Nachrichten erhalten hatte.
Zwei stammten von Malachai, der sich erkundigte, was denn nun mit Rollins sei, was sie herausgefunden hätten und wann sie nach Hause kämen. Die dritte Nachricht war von Rachel. Doch gerade als er sie abhörte, wurde ihr Flug über den Lautsprecher aufgerufen. Die Maschine stand nun bereit. Deshalb bekam er nur Bruchstücke von dem mit, was Rachel ihm auf die Mailbox gesprochen hatte.
“Wieder ein Flashback … Blackie und ein anderer Mann … in Rom ums Leben gekommen. Ich bitte Sie, Josh, lassen Sie sich meine Bitte noch einmal durch den Kopf gehen. Ja?” Ihre Beklommenheit kam ihm nur zu bekannt vor, auch dass sie so tat, als sei er für sie verantwortlich. Nur: Wie war das möglich? Er hatte sie doch erst vor drei Tagen kennengelernt!
Der Rückflug nach New York verlief ohne besondere Vorkommnisse, und Josh war heilfroh, dass Gabriella etwas Erholung im Schlaf fand. Er hatte ihr den ganzen langen Tag in die Augen geschaut und darin zu viel Kummer gesehen.
“Wenn du jemanden fotografierst und ihm dabei in die Augen siehst”, so hatte ihm sein Vater einst geraten, “und wenn du dabei schreckliches Leid entdeckst, dann wende dich nicht ab. Es ist eine Gabe, die Tiefen menschlicher Qual erschauen zu können. Denn erst wenn du erkennst, dass jemand trotz unermesslichen Kummers höflich mit dir spricht, dir die Hand schüttelt und dich freundlich begrüßt, verstehst du, warum man nie nachlassen, nie aufstecken darf. Das ist das Wunder der menschlichen Widerstandkraft, Josh. Nimm den Schmerz an, mein Junge. Zolle ihm den nötigen Tribut. Nur so kannst du ihn überwinden.”
Das Gesicht seines im Sterben liegenden Vaters, es war damals im Schlaf genauso friedlich gewesen wie jetzt das von Gabriella.
Auch Josh versuchte, ein Nickerchen zu machen. Doch er konnte nicht aufhören, darüber nachzudenken, dass er irgendetwas übersah, irgendeinen Schlüssel zu den gesamten Vorgängen. Was war es bloß? Es ließ ihm keine Ruhe.
Er zog Notizblock nebst Stift aus seinem Rucksack und listete die von Rollins übersetzten Ziffern auf: 1, 3, 4, 5, 7 – dazu ein X für die Zahl, die der Professor nicht hatte entziffern können. Selbst wenn die noch fehlende Ziffer eine 2 oder 6 war: Eine logische Sequenz bildete die Zahlenreihe trotzdem nicht.
Wieso sollten sechs Edelsteine ausgerechnet so nummeriert sein? Wieso nicht einfach von 1 bis 6?
Sein Kopf begann zu dröhnen; eine Migräne kündigte sich an. Als er in seiner Hosentasche nach dem Tablettenröhrchen kramte, stieß er auf sein Handy. Er hatte noch keine Zeit gehabt, Rachel anzurufen. So gern er ihr auch dabei geholfen hätte, Harrison mit dem Unbekannten in Rom gleichzusetzen …
Durch das Kabinenfenster starrte er hinaus in den
Weitere Kostenlose Bücher