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Der Memory Code

Der Memory Code

Titel: Der Memory Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.J. Rose
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einer Flasche, die er aus seinem Rucksack zog. Indem er aufstand, streckte er einen Arm aus, öffnete die Hand und ließ den Becher fallen. Er zerschellte auf dem Marmorfußboden in Dutzende Scherben und hinterließ eine Wasserlache.
    Rachel starrte ihn an, als habe er den Verstand verloren. “Was sollte das denn?”
    “Wir – Sie und ich, jeder – und unsere Körper, wir sind der Becher und unsere Seelen das Wasser. Zerbricht man den Behälter, schwappt das Wasser heraus. Es verändert zwar seine äußere Form, aber die Eigenschaften bleiben bestehen. Was zuerst in der Flasche und dann in dem Becher war und nun auf dem Fußboden liegt, ist immer noch dasselbe Wasser. Man kann es nach wie vor sehen, es auch mit einem Tuch aufwischen, und selbst dann ist es noch dasselbe Wasser, das anfangs in der Flasche und dann im Becher und dann auf dem Fußboden war, jeweils in einer anderen äußeren Form. So ungefähr funktioniert auch Reinkarnation. Unsere Seelen suchen sich neue Körper, und ähnlich wie wir uns verändern, nimmt das Wasser Staub und Schmutzpartikel auf und passt sich an die Form des Gefäßes an, in dem es letztendlich landet.”
    “Aber was soll ich nun unternehmen? Da ich doch weiß, dass Titus Blackwell Esme umgebracht hat?”
    “Nutzen Sie dieses Wissen dazu, Ihre Beklemmungen bezüglich Harrison abzubauen. Gehen Sie Ihrem Unbehagen ihm gegenüber auf den Grund, indem Sie die beiden vergleichen: Wer ist Harrison heute, und wer war Blackwell damals? Versuchen Sie zu ergründen, ob Ihre Empfindungen in der Vergangenheit wurzeln oder im Jetzt.”
    “Und was soll dabei herauskommen?”
    “Dass Sie es diesmal richtig machen. In diesem Leben. Dass Sie den Kreis vollenden. Die Vergangenheit nicht wiederholen.”
    “Wiederholen? Etwa buchstäblich?” Jegliche Farbe wich aus ihrem Gesicht. “Falls ich dahinterkommen sollte, dass er in dunkle Machenschaften verwickelt ist – meinen Sie, er könnte mir nach dem Leben trachten, um mich zum Schweigen zu bringen?”
    “Ich bin weder Zauberer noch Wahrsager. Für Stoff wie diesen gibt es kein Lehrbuch. Wir lernen ständig dazu. Ich könnte stundenlange Reden schwingen über die philosophischen und theoretischen Grundlagen der Reinkarnation, glaube aber, dass das momentan wenig bringen würde.”
    Sie massierte sich nachdenklich die Schläfen. “Mir ist klar, Josh, dass Sie das nicht genau sagen können, aber trotzdem: Verglichen mit dem, was Sie andere haben durchmachen sehen – für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass sich die Geschichte in diesem Fall doch wiederholt?”
    “Die Vorstellung, dass einer, der Sie in der Vergangenheit umgebracht hat, Sie noch ein zweites Mal tötet, wäre zu oberflächlich. Die Sache hier ist diffiziler. Es geht um die Empfindungen, die die Handlungen auslösen. Wenn Blackie aus Habgier gemordet hat und weil er sein Geheimnis wahren wollte, dann wäre es durchaus möglich, dass auch Harrison gegenwärtig aus Habgier handelt. Dann könnte es sein, dass sich das irgendwann auf Ihr Verhältnis mit ihm auswirkt.”
    “Ich kriege hier drinnen keine Luft!”, stieß sie hervor, fuhr schlagartig aus ihrem Sessel hoch und verließ mit raschen Schritten das Zimmer.
    Josh folgte ihr über den Gang zum Lift. Hektisch drückte sie auf den Aufzugknopf, einmal, zweimal, dann noch einmal, um sich dann fluchtartig zur Treppe zu wenden. Er rannte ihr nach, vier Treppenfluchten hinunter, danach durch eine Halle mit riesigen Skulpturen, die drohend aufragten und sich gefährlich zu neigen schienen, als die beiden an ihnen vorbei ins Hauptfoyer hasteten.
    Er durfte sie nicht allein weggehen lassen, jedenfalls nicht so unmittelbar nach dem Aufwachen aus der Trance. Die Leute ringsum starrten ihnen hinterher, offenbar fälschlicherweise davon überzeugt, dass er ihr nachstellte. Er konnte nur hoffen, dass niemand auf den Gedanken kam, ihn aufzuhalten, ehe er sie eingeholt hatte.
    “Rachel!”
    Sie drehte sich nicht um, sondern marschierte weiter durchs Hauptportal und die Granitstufen hinunter zum Bürgersteig, wo sie nach rechts abbog, fast um das halbe Karree rannte und schließlich noch einmal nach rechts, direkt hinein in den Central Park.
    Endlich, mitten auf dem Spielplatz am Eingang 80. Straße, holte Josh sie ein. Vornübergebeugt und nach Atem ringend, stand sie neben den drei Bronzebären, und als er sie diesmal rief, da hob sie den Kopf, und er sah ihr tränenüberströmtes Gesicht. Hinter ihr turnte ein halbes Dutzend Knirpse

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