Der Memory Code
auf einem Klettergerüst herum. Kreischend und lachend spornten sie sich gegenseitig an, noch höher zu klettern.
“Entschuldigen Sie!”, schluchzte sie, als er herangekommen war. “Ich habe Angst bekommen.”
“Schon gut.”
“Sollen wir einen Spaziergang machen?” Ihre Stimme klang jung und verletzlich.
Auf sein zustimmendes Nicken hin folgten sie dem Pfad, der am Spielplatz vorbei zu einer weitläufigen Rasenfläche führte, auf der Hundebesitzer ihren Vierbeinern beim gemeinsamen Herumtollen zuschauten. An der Wegegabelung zögerte Rachel nicht lange, sondern wandte sich nach links zu einer Brückenunterführung, wo sie ein paar Sekunden lang im Dunkeln gingen. An der anderen Seite angekommen, musste sie sich erst kurz orientieren und wollte schon nach rechts abbiegen. Dann überlegte sie es sich aber anders und wandte sich wieder nach links.
Die von ihr eingeschlagene Route war auch Josh bestens vertraut.
“Es gibt so viel, was ich nicht verstehe. Wieso kommen diese Erinnerungen ausgerechnet jetzt? Warum nicht voriges Jahr? Oder vor zwei Jahren?”
“Ich nehme an, Sie haben auf etwas reagiert, das wir als Auslöser bezeichnen – ein Ereignis, das ihrem Gedächtnis auf die Sprünge geholfen hat.”
“Was denn für ein Ereignis?”
“Sie haben mir doch erzählt, bei Ihrer ersten Rückblende hätten Sie gerade einen Artikel gelesen … Wissen Sie noch, wovon der handelte?”
“Von der Ausgrabung eines Vestalinnengrabs in Rom. Ein Zeitungsbericht.” Sie unterbrach sich und sah ihn bestürzt an. “Das war der Auslöser! Der Artikel über das Grab! Und beim zweiten Mal war ich im Museum und hörte zufällig mit, wie sich zwei Museumsdirektoren über den Raub und den Mord an Professor Rudolfo unterhielten. Beides hatte ja genau in der besagten Grabung stattgefunden! Josh! Ist das etwa die von Neely entdeckte Grabkammer?”
“Das weiß ich nicht hundertprozentig, aber ich glaube nicht.”
“Was wurde darin denn gefunden?”
“Der Schatz der verlorenen Erinnerung.”
“Dieselben Edelsteine, an die ich mich entsinne?”
“Kann ich nicht genau sagen.”
Während sie im Schatten der üppig belaubten Eichen und Linden schlenderten, erzählte Josh ihr die ganze Geschichte noch einmal, allerdings detaillierter, als es in der Presse gestanden hatte.
“Ist das der Grund dafür, dass Sie sich damals am ersten Tag doch haben breitschlagen lassen, sich meine Story anzuhören?”, fragte sie, als er geendet hatte. “Weil Sie durch mich dieser Archäologin helfen wollten … Wie heißt sie gleich noch?”
“Professor Chase. Nein, damit hatte das nichts zu tun. Wie auch? Von den Steinen haben Sie mir ja erst heute berichtet.”
“Aber sie ist der Grund dafür, dass Sie bereit waren, sich heute mit mir zu treffen und mich zu hypnotisieren.”
“Hören Sie, Rachel, hier geht es um Leben und Tod! Ich muss unbedingt die Edelsteine auftreiben, die Blackie damals an sich gebracht hat.”
“Ich habe keine Ahnung, wo sie sind.”
“Als Sie in Trance waren, da erwähnten sie etwas von einem Gemälde, das Blackie für Esme gekauft hatte. Erinnern Sie sich?”
Sie überlegte. “Sicher, klar, das Bild …” Sie sah es förmlich vor dem geistigen Auge. “Der Bacchus …” Plötzlich verzerrte sich ihr Gesicht zu einer Maske des Entsetzens. Irgendetwas war ihr nicht geheuer. Etwas ganz Schreckliches. Etwas, das sie nicht zu verarbeiten wusste.
“Was ist?” Er hoffte, mit seiner Vermutung richtig zu liegen.
“Das ist das Gemälde, das Harrison vermittelt! Das Bild, das er bei Christie’s ersteigert hat! Dasselbe, das Esme von Blackie geschenkt bekam! Das, worauf mein Onkel so scharf ist. Er war stinksauer, dass ich es bei der Versteigerung nicht gekriegt habe!”
Inzwischen waren sie am Ramble angekommen, einem verwilderten Parkabschnitt, wo man glatt vergessen konnte, dass man sich im Manhattan des 21. Jahrhunderts befand. Statt Wolkenkratzern baumhohe Felsbrocken, statt Verkehrslärm Vogelgezwitscher und das Rauschen von Wasser.
“Helfen Sie mir, Josh! Ich komme da nicht mehr mit. Das geht mir alles viel zu schnell …”
“Ich helfe Ihnen. Aber viel Zeit bleibt uns nicht.”
“Halten Sie es für möglich, dass die Steine noch immer in dem Bilderrahmen stecken?”
“Sofern außer Blackie und Esme niemand davon wusste und beide auf See umgekommen sind – dann durchaus”, nickte Josh.
“Meinen Sie, Harrison weiß davon?”
“Vermutlich nicht.”
“Und mein Onkel? Er hat
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