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Der Memory Code

Der Memory Code

Titel: Der Memory Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.J. Rose
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Licht durch das Blattwerk drang, sah Julius doch ihr Gesicht und den Blick, der in jenem Moment in ihren Augen stand. Er würde ihn nie vergessen. Unverfälschte Glückseligkeit, durchsetzt mit einem unerträglichen Schmerz – ein Ausdruck bar jeder Beschreibung, den Julius nicht zu enträtseln vermochte. Zwei Emotionen, die sich nicht etwa gegenseitig auflösten, sondern deutlich erkennbar nebeneinander existierten, so unterschiedlich sie auch sein mochten.
    Er hätte innegehalten, wäre dies möglich gewesen; hätte sich aus ihr gelöst, sie sanft in den Armen gewiegt und sie gefragt, was mit ihr sei. Getröstet hätte er sie, hätte versucht, die Not, in welcher sie war, erträglicher zu machen.
    So unklug aber war er nicht. Sabina war Hohepriesterin. Niemandem unterworfen schon seit dem siebenten Lebensjahr, als man sie ins Atrium Vestae, das Haus der Vestalinnen brachte, um die überlieferten kultischen Handlungen zu lernen. Mittlerweile befand sie sich im wichtigsten Abschnitt der drei Jahrzehnte, die sie unter dem Dache des Tempels verbringen musste. Man hatte sie zu verstehen gelehrt, wie bedeutend ihre Stellung war, hatte ihr beigebracht, sich diesem gesellschaftlichen Rang entsprechend zu verhalten. Dieses von Jugend an erworbene Elitebewusstsein war ihr in Fleisch und Blut übergegangen; sie konnte es nicht einfach abschütteln. Ihr Trost zuzusprechen, wäre einer Beleidigung gleichgekommen. Nicht Zuspruch begehrte sie, sondern etwas, das viel drängender war, viel handfester.
    Begleitet vom Rascheln der Blätter im Wind und untermalt von leisen Seufzern der Wonne, mündete nun ihr Liebesspiel in die letzten Ekstasen der Lust. Julius hielt sich zurück, bis es um ihn geschehen war, bis von Sabinas Lippen die Laute drangen, auf die er gewartet hatte, jene aus Qual und Verzückung bestehenden Töne. Sie hat recht!, durchzuckte es ihn, als er sich in ihr verströmte. So müsste man sterben können! Auf jeden Fall ein schönerer Tod als der, der ihnen beiden bevorstand.
    Als sie ermattet nebeneinanderlagen, da flaute sogar auch der Wind ab. Eng umschlungen ruhten sie eine Weile, um sich dann aufzusetzen und jene Gaumenfreuden auszubreiten, die beide mitgebracht hatten. Obgleich einer Frau, auch einer Priesterin, der Weingenuss verboten war, kosteten doch beide vom Rebensaft und naschten das süße Backwerk, das Sabina bereitet hatte.
    Nach diesem kleinen Festmahl stand sie auf, zog Julius gleichfalls vom Boden hoch und führte ihn hin zum Teich. Auch das war Teil ihres Rituals: in Wasser zu baden, das kalt und warm zugleich war. Warm an den Stellen, an denen der Teich von unterirdischen heißen Quellen gespeist wurde, und kalt dort, wo Quellwasser aus den Felsen sprudelte.
    Unter der Oberfläche dann begann ein Spiel der Hände, ganz so, als wären es Fischchen. Julius ließ die Finger kreisend um Sabinas Brüste tasten, um ihre Knospen, sodann hinunter zu ihren Schenkeln, dorthin, wo eine ganz andere Feuchte spürbar wurde als die des Wassers, in dem sie schwammen – seidiger und geschmeidiger. Sabinas Finger hingegen stahlen sich rücklings zwischen seinen Oberschenkeln hindurch, legten sich um seine Männlichkeit, liebkosten ihn und ließen ihn wieder schwellen zu ganzer Pracht.
    Julius tauchte in Sabinas Rücken auf und glitt tief in sie hinein, während seine Hände ihre Hüften umfassten.
    “Oh, bist du gierig!”, raunte sie ihm ins Ohr.
    “Zu viel?”
    “Nein. Niemals!”
    “Du möchtest mich noch einmal?”
    “Ja, ja und nochmals ja!”
    Er lachte ob ihrer Ausgelassenheit und verdrängte den Gedanken, dass sie gegen ein Verbot verstießen. Hätte er es erwähnt – es hätte den Rausch zerstört, der sich tief, tief drunten ankündigte, der tief vom dunklen Grunde des Teiches aufstieg, tiefer noch als sonst, wenn er aus Julius’ Innerem kam.
    “Jetzt”, raunte er ihr ins Ohr, denn sie hatte es gern, wenn er es ihr sagte.
    Sie presste sich ihm entgegen, sich auf ihm windend und durchaus bewusst, was sie da tat und wie lange es dauern durfte, sodass sie beide zur selben Zeit die Erfüllung fanden – möglicherweise, das wussten sie wohl, zum letzten Mal.
    Danach, als sie Seite an Seite saßen, gehüllt in die von Julius mitgebrachte Decke, da sprach er das Thema an, das beide bislang geflissentlich vermieden hatten: die Veränderungen, die das neue Edikt des Kaisers für ihrer beider Leben bedeutete.
    “Es wird Zeit, zu fliehen”, meinte sie. “Ich habe darüber nachgedacht. Wir könnten

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