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Der Mensch vom Mars. Roman.

Der Mensch vom Mars. Roman.

Titel: Der Mensch vom Mars. Roman. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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New Yorks trennten, sehen konnte. In einer Entfernung von einigen Kilometern war ein dunklerer Teil des Himmels zu sehen – das waren die Rauchschwaden der Großstadt.
    Die Felder waren in diesem Frühjahr mit hohen grünen Halmen bedeckt. Auf den Bäumen leuchtete junges Grün. Aber meine Augen, die ich anstrengte, bis sie schmerzten, beobachteten nicht zum Vergnügen – jeder Punkt, jede dunkle Stelle in dem Gebiet schien mir verdächtig zu sein.
    »Da ist es! Da ist es!« rief der Professor. Alle drängten sich zusammen. Ich überprüfte, ob ich von meinem Standort aus in die angegebene Richtung sehen konnte. Aber schon verließ jemand einen Teil des Deckengewölbes, der halbe Horizont zeigte sich, und ich sah deutlich, wie sich in einer Entfernung von etwa dreihundert bis vierhundert Metern eine schwarze Silhouette, die wie eingefettet das Sonnenlicht stark reflektierte, langsam und stetig unter den Halmen des jungen Getreides bewegte und den eigenen Weg mit einer schmalen Linie niedergedrückter Pflanzen markierte.
    »Schnell, Werfer.« Der Professor war wieder die Ruhe selbst. Er führte das Okular des Zielfernrohrs an die Augen und half dem Ingenieur, die Geschosse in die Lenkvorrichtung zu laden.
    »Im Namen Gottes – Achtung! – Ich bitte beim Abschuß in Deckung zu gehen und seine Reaktion abzuwarten – Feuer!«
    Es ertönte ein ziemlich gedämpftes Donnern, in der halboffenen Kuppel verbreitete sich ein Geruch nach verbranntem Kordit, und zwei Rauchfahnen markierten die parabolische Bahn der Geschosse, die fast gleichzeitig nur wenige Meter vor dem Ziel explodierten. Im Augenblick der Explosion bemerkte ich, daß die Silhouette verharrte, und wie sich die Schlangen, die sie wie unbewegliche Fühler vor sich trug, in die Höhe und nach den Seiten ausstreckten.
    »Feuer!« Die zweite Salve lag besser, aber der schwache Druck der Granaten konnte die Maschine nicht einmal umwerfen. Ich bildete mir ein zu hören, wie die Splitter gegen sie prallten, doch das war bei dieser Entfernung wohl eine Illusion.
    »Feuer!« Diesmal waren die Geschosse anscheinend mit Chlor gefüllt, denn nach der Explosion stiegen dunkle Gaswolken auf. Als der Wind sie davongetragen hatte, sah ich, daß der kleine schwarze Kegel lustig hin und her schwankte.
    Plötzlich schoß ein langer dünner Feuerstrahl durch das Getreide, als hätte jemand brennendes Benzin auf die Erde gegossen; das Grünzeug trocknete aus, wurde schwarz und stand im Nu in Flammen. Das Feuer breitete sich mit enormer Geschwindigkeit in unsere Richtung aus, hatte das Gebäude fast schon erreicht.
    »Feuer!« Ein neuer Donner erschütterte die Luft. Ich verspürte eine Welle heißer Luft und fiel mit angehaltenem Atem zu Boden.
    Als ich wieder auf die Beine kam und zur Kuppelöffnung sprang, war alles vorbei. Das Grünzeug qualmte noch, aber der kleine schwarze Kegel lag auf der Seite, seine Fühler waren wirr nach allen Seiten ausgestreckt.
    »Wir haben ihn!«
    Ich wandte mich um. Professor Widdletton trat von dem noch rauchenden Werfer zurück, riß sich die Gasmaske herunter und holte eine Zigarre aus der Weste.
    »Meine Herren! Bitte nach unten, der zweite Teil unserer Aufgabe beginnt.«
     
    3. Kapitel
     
    Als der schwarzglänzende Kegel endlich regungslos im blendenden Schein der Bogenlampen ruhte, wischte sich Ingenieur Fink den Schweiß mit der rechten Handfläche von der Stirn, rückte die schiefe Krawatte zurecht, betrachtete die roten, verschwitzten Gesichter der umherstehenden Männer und sagte:
    »Jetzt haben wir ihn – wir müssen uns überlegen, was weiter zu tun ist.«
    Professor Widdletton, der als einziger keine Asbest-Blei-Jacke trug und sich deswegen hinter einer schnell aus Bleiplatten aufgestellten Wand befand, trat näher, sah auf seine goldene Zwiebel und sagte:
    »Meine Herren – seit zwölf Minuten schon sind wir der Strahleneinwirkung ausgesetzt! Bitte folgen Sie mir.«
    Wir gingen hinaus und warfen nicht gerade ruhige Blicke auf diesen großen schwarzen Kloß. Als letzter sah ich noch einmal hin. Dieses sonderbare Geschöpf lag auf Holzböcken, die Tentakel, drei an der Zahl, die sich an den Seiten ausstreckten, ruhten in wirrem Durcheinander auf dem Boden. In sehr langen Zeitabständen drang das bekannte metallische Surren aus dem Inneren, unterbrochen von einem leisen Zischen oder eher einem Schieben der Metallflächen. Das Licht spielte auf der schwarzglänzenden Hülle, wurde an manchen Punkten der Oberfläche stärker

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