Der Menschen Hoerigkeit
ungelüftet roch; ein riesiges Holzbett mit einem Baldachin aus rotem Rips füllte den Raum beinahe aus; an den Fenstern hingen schwere Vorhänge aus dem gleichen, schmuddeligen Stoff, die Kommode diente auch als Waschtisch, und dann stand noch ein massiver Schrank da aus der Zeit des guten Königs Louis Philippe. Die Tapete war alt und verblichen; sie war dunkelgrau, mit vage sichtbaren Girlanden von braunen Blättern. Philip fand das Zimmer altmodisch und reizend.
Trotz der späten Stunde war er viel zu aufgeregt, um zu schlafen, und ging auf die Straße bis zum Boulevard, und dann weiter, dem Licht entgegen. So gelangte er zum Bahnhof; der viereckige Platz davor, mit seinen hellen Bogenlampen und dem lärmenden Durcheinander der gelben Straßenbahnwagen, ließ ihn laut auflachen vor Freude. Ringsumher waren Cafés, und begierig, sich die Menge näher zu besehen, nahm Philip auf gut Glück an einem kleinen Tisch vor dem Café de Versailles Platz; alle anderen Tische waren besetzt, denn es war ein schöner Abend, und Philip betrachtete neugierig die Leute, hier kleine Familiengruppen, dort eine Gesellschaft von Männern mit kühn geschwungenen Hüten und rauhen Bärten, die sich laut und gestikulierend unterhielten; neben ihm saßen zwei Männer, die wie Maler aussahen, mit Frauen, von denen Philip hoffte, dass sie nicht ihre angetrauten Gattinnen seien; hinter sich hörte er Amerikaner laut über Kunst diskutieren. Seine Seele jubelte. Er blieb sehr lange sitzen, todmüde, aber zu glücklich, um sich zu rühren, und als er endlich zu Bett ging, war er hellwach; er horchte auf die tausend Geräusche von Paris.
Am nächsten Tag, zur Teestunde, begab er sich in die Gegend des Lion de Belfort, und in einer neuen Seitenstraße, die vom Boulevard Raspail abging, fand er Mrs. Otter. Sie war eine nichtssagende Frau von dreißig Jahren mit provinzlerischem Aussehen und betont damenhaftem Benehmen; sie stellte ihn ihrer Mutter vor. Er erfuhr alsbald, dass sie seit Jahren in Paris studierte, und ein wenig später, dass sie von ihrem Mann getrennt war. In ihrem kleinen Salon hatte sie ein paar Porträts hängen, die sie gemalt hatte, und Philips unerfahrenem Auge erschienen sie vollkommen.
»Ob ich es jemals so weit bringen werde?«, seufzte er.
»Ach, das will ich doch hoffen«, antwortete sie nicht ohne Selbstzufriedenheit. »Es braucht natürlich seine Zeit.«
Sie war sehr freundlich und gab ihm die Adresse eines Ladens, in dem er Mappe, Zeichenpapier und Kohle kaufen konnte.
»Ich werde morgen gegen neun Uhr in der Schule sein und werde sehen, dass Sie einen guten Platz bekommen und alles Weitere.«
Dann fragte sie ihn, wie er eigentlich zu arbeiten gedächte, und Philip hatte die Empfindung, er dürfe sie nicht merken lassen, wie unklar ihm in dieser Richtung alles noch war.
»Zuerst möchte ich einmal zeichnen lernen«, sagte er.
»Das freut mich zu hören. Die meisten Leute möchten immer gleich alles machen. Ich habe zwei volle Jahre keine Ölfarbe angerührt, und das Resultat sehen Sie ja.«
Sie warf einen Blick auf das Porträt ihrer Mutter, ein klebriges Stück Malerei, das über dem Klavier hing.
»Und an Ihrer Stelle wäre ich sehr behutsam mit den Bekanntschaften, die ich schließe. Unter keinen Umständen mit Ausländern verkehren. In dieser Hinsicht kann man gar nicht vorsichtig genug sein.«
Philip dankte ihr für den Hinweis, auch wenn er ihm reichlich seltsam erschien. Er war sich nicht sicher, ob ausgerechnet er vorsichtig sein wollte.
»Wir leben genauso, als wären wir in England«, sagte Mrs. Otters Mutter, die bis dahin wenig gesprochen hatte. »Als wir hierhergekommen sind, haben wir unsere eigenen Möbel mit herübergenommen.«
Philip sah sich im Zimmer um. Es war angefüllt mit massivem Mobiliar, und vor dem Fenster hingen die gleichen weißen Spitzenvorhänge, die Tante Louisa während des Sommers im Pfarrhaus anbrachte. Mrs. Otter folgte seinem Blick.
»Wenn wir abends die Fensterläden schließen, könnte man wirklich meinen, man wäre in England.«
»Und unsere Mahlzeiten nehmen wir auch genau wie zu Hause«, fügte die Mutter hinzu. »Zum Frühstück gibt es Fleisch und mittags das Dinner.«
Nach seinem Besuch bei Mrs. Otter ging Philip Zeichenmaterial kaufen, und am nächsten Morgen, Punkt neun Uhr, stellte er sich, bemüht, unbefangen zu erscheinen, in der Schule ein. Mrs. Otter war schon da und kam ihm mit freundlichem Lächeln entgegen. Er war ein wenig
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