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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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unzufrieden mit Ihnen.«
    »Lange nicht so unzufrieden wie ich mit Mr.   Carter«, erwiderte Philip fröhlich.
    »So sollten Sie nicht reden, Carey.«
    »Ich komme nicht zurück. Ich habe mit Mr.   Carter das Übereinkommen getroffen, dass er mir die Hälfte des Lehrgeldes zurückgibt, wenn mir dieser Beruf nicht zusagt, und ich nach einem Jahr aufhören kann.«
    »So eine Entscheidung sollten Sie nicht voreilig treffen.«
    »Seit zehn Monaten ekelt mich das alles an; die Arbeit ekelt mich an, das Büro ekelt mich an, London ekelt mich an. Ich würde lieber Straßen kehren, als mein Leben hier verbringen.«
    »Nun gut, ich muss schon sagen, ich halte Sie für unseren Beruf nicht für sonderlich geeignet.«
    »Leben Sie wohl«, sagte Philip und streckte ihm seine Hand hin. »Ich danke Ihnen für Ihre Freundlichkeit. Es tut mir leid, wenn ich Ihnen zur Last gefallen bin. Ich habe fast von Anfang an gewusst, dass ich mich hierfür nicht eigne.«
    »Schön, wenn Sie sich wirklich entschieden haben, dann leben Sie wohl. Ich weiß nicht, was Sie nun in Angriff nehmen werden, aber wenn Sie irgendwann in der Nähe sind, besuchen Sie uns doch.«
    Philip lachte kurz auf.
    »Ich fürchte, es klingt sehr unhöflich, aber ich hoffe aus tiefstem Herzen, dass ich keinen von Ihnen je wieder zu Gesicht bekommen werde.«
    39
     
    Der Vikar von Blackstable wollte nichts von dem neuen Plan wissen. Wie alle schwachen Menschen legte er übertriebenen Wert darauf, an einem einmal gefassten Entschluss festzuhalten.
    »Du hast dich aus freiem Willen entschlossen, Bücherrevisor zu werden«, sagte er zu Philip.
    »Das stimmt; aber nur, weil ich sonst keine Möglichkeit sah, in die Stadt zu kommen. Ich hasse London, ich hasse die Arbeit, und nichts kann mich bewegen zurückzukehren.«
    Mr.   und Mrs.   Carey waren unverhohlen schockiert über Philips Absicht, Maler zu werden. Er sollte nicht vergessen, dass seine Eltern Leute von Stand gewesen waren, und Maler war kein ernstzunehmender Beruf; er war unbürgerlich und unmoralisch; und dazu noch in Paris!
    »Solange ich ein Wort mitzureden habe, werde ich nicht erlauben, dass du nach Paris gehst«, sagte der Vikar bestimmt. Es war ein Sündenpfuhl. Die Hure Babylon trug dort ihre Verkommenheit zur Schau; Paris stand Sodom und Gomorrha an Verderbtheit in nichts nach. »Du bist als Gentleman und als Christ erzogen worden, und ich würde das von deinem Vater und deiner Mutter in mich gesetzte Vertrauen missbrauchen, wenn ich dir gestatte, dich solchen Versuchungen auszusetzen.«
    »Nun, ich bin kein Christ, das weiß ich. Und ob man mich einen Gentleman nennen kann, fange ich an zu bezweifeln.«
    Der Streit wurde heftiger. Es dauerte noch ein Jahr, ehe Philip über seine kleine Erbschaft verfügen konnte, und Mr.   Carey erklärte, dass er keinen Penny bekommen sollte, wenn er nicht in Mr.   Carters Büro bliebe.
    Philip war klar: Wenn er das Büro verlassen wollte, musste er es tun, solange er noch die Hälfte seines Geldes zurückbekam. Davon wollte der Vikar nichts hören. Philip verlor die Contenance und sagte Dinge, die ihn verletzten und erzürnten.
    »Du hast kein Recht, mein Geld zu verschwenden«, sagte er schließlich. »Es ist mein Geld, oder nicht? Und ich bin kein Kind mehr. Du kannst mich nicht daran hindern, nach Paris zu gehen, wenn ich mich dazu entschließe. Niemand kann mich zwingen, in London zu bleiben.«
    »Aber ich kann dein Geld so lange zurückhalten, bis du etwas tust, das ich vernünftig finde.«
    »Nun, das ist mir gleich. Ich bin fest entschlossen, nach Paris zu gehen. Und wenn mir nichts anderes übrigbleibt, werde ich eben verkaufen, was ich besitze, meine Kleider, meine Bücher und den Schmuck, den ich von meinem Vater geerbt habe.«
    Tante Louisa saß schweigend, ängstlich und unglücklich daneben, sie sah, dass Philip außer sich war und dass jedes Wort von ihrer Seite seinen Zorn nur noch steigern würde. Endlich erklärte der Vikar, dass er nichts mehr von der Sache hören wolle, und verließ würdevoll das Zimmer. Während der nächsten drei Tage sprachen er und Philip kein Wort miteinander. Philip schrieb an Hayward, um verschiedene Erkundigungen über Paris einzuholen, und beschloss, gleich nach Erhalt der Antwort zu reisen. Mrs.   Carey grübelte unablässig über die Angelegenheit nach; sie fühlte, dass Philip sie in den Hass, den er dem Vikar gegenüber empfand, mit einbezog, und dieser Gedanke quälte sie. Sie liebte Philip von ganzem Herzen.

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