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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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aber theoretisch kennt sie sich aus und kann einem Anfänger eine große Hilfe sein, wenn sie sich die Mühe macht.«
    Unterwegs sagte Clutton zu ihm:
    »Sie scheinen großen Eindruck auf Fanny Price gemacht zu haben. Sehen Sie sich vor.«
    Philip lachte. Er konnte sich kein weibliches Wesen vorstellen, bei dem es ihn weniger interessiert hätte, Eindruck zu machen. Sie kamen zu einem kleinen, billigen Restaurant, in dem einige von den jungen Malern aßen, und Clutton setzte sich an einen Tisch, an dem bereits drei oder vier Männer Platz genommen hatten. Für einen Franc bekam man ein Ei, ein Fleischgericht, Käse und eine kleine Flasche Wein. Kaffee musste man extra bezahlen. Man saß auf dem Trottoir, und gelbe Straßenbahnen fuhren mit ununterbrochenem Geklingel den Boulevard hinauf und hinunter.
    »Wie heißen Sie übrigens?«, fragte Clutton, als sie sich niederließen.
    »Carey.«
    »Gestattet mir, euch einen alten und erprobten Freund vorzustellen. Carey ist sein Name«, sagte Clutton ernst. »Mr.   Flanagan, Mr.   Lawson.«
    Sie lachten und fuhren in ihrer Unterhaltung fort. Man sprach von tausend Dingen, und alle redeten gleichzeitig. Keiner schenkte dem andern auch nur die geringste Aufmerksamkeit. Man sprach von den Orten, die man während des Sommers besucht hatte, von Ateliers und von den verschiedenen Schulen; Namen fielen, die Philip noch nie gehört hatte: Monet, Manet, Renoir, Pissarro, Degas. Philip war ganz Ohr, und obgleich er sich ein wenig außen vor fühlte, sprang sein Herz vor Freude. Die Zeit flog dahin. Als Clutton aufstand, sagte er:
    »Aller Voraussicht nach werden Sie mich heute Abend hier antreffen, falls Sie Lust haben zu kommen. Sie werden merken, dass dies der beste Ort im ganzen Quartier ist, um sich für wenig Geld einen verdorbenen Magen zu holen.«
    41
     
    Philip ging den Boulevard Montparnasse hinunter. Was ihn nun umgab, hatte nichts mit dem Paris zu tun, das er im Frühjahr während seines Besuches im Hôtel St.   Georges kennengelernt hatte – er dachte bereits mit Schaudern an diese Epoche seines Lebens –, sondern erinnerte ihn mehr an eine Art Provinzstadt. Das Ganze hatte etwas Gemächliches, Unbeschwertes, eine sonnige Geräumigkeit, die zum Tagträumen verleitete. Der Wuchs der Bäume, das leuchtende Weiß der Häuser, die Weite – das alles war sehr angenehm. Und Philip fühlte sich bereits ganz zu Hause. Er schlenderte dahin und besah sich die Leute. Alle hatten sie eine gewisse Eleganz, sogar die gewöhnlichsten Arbeiter, mit ihren breiten roten Schärpen und ihren weiten Hosen wie kleine Soldaten in etwas schäbigen, aber reizenden Uniformen. Nach einer Weile kam er zur Avenue de l’Observatoire und seufzte glücklich über den großartigen und doch so anmutigen Anblick. Er gelangte in den Jardin du Luxembourg. Kleine Jungen und Mädchen spielten, Kinderfrauen mit langen Bändern promenierten zu zweit langsam auf und ab, geschäftige Männer mit Aktentaschen unter dem Arm kamen vorbei und merkwürdig gekleidete Jünglinge. Das Bild wirkte förmlich und graziös; die Natur war zurechtgestutzt und geordnet, aber so vortrefflich, dass die gewöhnliche ungeordnete, wuchernde Natur daneben roh und barbarisch anmutete. Philip war verzaubert. Bei dem Gedanken, an einem Ort zu stehen, über den er so viel gelesen hatte, geriet er in Aufregung; für ihn war es eine klassische Stätte. Er fühlte die Ehrfurcht und Freude, die vielleicht auch ein alter Lehrer empfindet, wenn er lächelnd zum ersten Mal die Ruinen von Sparta erblickt.
    Während er dahinging, sah er auf einmal Miss Price, die allein auf einer Bank saß. Er zögerte, denn er hatte in diesem Augenblick kein Verlangen, mit jemandem zusammen zu sein, und ihre unfreundliche Art schien ihm in dieser heiteren Umgebung fehl am Platz. Aber da er ihre Empfindlichkeit erriet und überdies annahm, dass sie ihn bereits gesehen hatte, entschloss er sich schließlich doch, sie anzusprechen.
    »Was machen Sie hier?«, fragte sie ihn, als er auf sie zutrat.
    »Ich genieße den schönen Nachmittag. Sie nicht auch?«
    »Ach, ich bin jeden Tag von vier bis fünf hier. Ich glaube, es tut einem nicht gut, ohne Pause durchzuarbeiten.«
    »Darf ich mich kurz zu Ihnen setzen?«, fragte er.
    »Wenn Sie wollen.«
    »Das klingt nicht gerade ermutigend«, lachte er.
    »Ich habe kein Talent, nette Dinge zu sagen.«
    Philip zündete sich ein wenig betroffen eine Zigarette an.
    »Hat Clutton etwas über meine Arbeit gesagt?«, fragte

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