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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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Miss Price plötzlich.
    »Nein, gar nichts«, sagte Philip.
    »Er taugt nichts, müssen Sie wissen. Er hält sich für ein Genie, aber davon kann keine Rede sein. Er ist viel zu faul. Genie – das ist vor allem die unbegrenzte Fähigkeit, Mühen auf sich zu nehmen. Nicht lockerlassen – darauf kommt es an. Wenn man fest genug entschlossen ist, etwas zu erreichen, erreicht man es auch.«
    Ihre Worte waren mit leidenschaftlichem Nachdruck gesprochen. Sie trug einen Matrosenhut aus schwarzem Stroh, eine weiße, nicht ganz saubere Bluse und einen braunen Rock. Sie hatte keine Handschuhe an, und ihre Hände benötigten Wasser und Seife. Sie war so unschön, dass Philip wünschte, er hätte nicht mit ihr zu sprechen angefangen. Er konnte nicht einschätzen, ob sie wollte, dass er blieb oder ging,
    »Ich werde für Sie tun, was ich kann«, erklärte sie auf einmal ohne jeden Zusammenhang. »Ich weiß, wie schwer der Anfang ist.«
    »Vielen Dank«, antwortete Philip. Dann, nach einer Weile: »Wollen Sie nicht mitkommen und irgendwo mit mir Tee trinken?«
    Sie warf ihm einen kurzen Blick zu und errötete. Als sich ihre Wangen färbten, wurde ihre fahle Haut seltsam fleckig, wie Erdbeeren mit Sahne, die schlecht geworden ist.
    »Nein, danke. Ich möchte jetzt nicht Tee trinken. Ich habe eben erst zu Mittag gegessen.«
    »Ich dachte nur so – zum Zeitvertreib.«
    »Wenn Sie sich langweilen, brauchen Sie keine Rücksicht zu nehmen. Es macht mir nichts aus, allein gelassen zu werden.«
    In diesem Augenblick kamen zwei Männer in braunen Samtröcken, weiten Hosen und Baskenmützen vorbei. Sie waren jung, trugen aber beide Bärte.
    »Das sind wohl junge Maler«, rief Philip. »Sie könnten der Vie de Bohème entsprungen sein.«
    »Das sind Amerikaner«, entgegnete Miss Price spöttisch. »Franzosen tragen schon seit dreißig Jahren keine solchen Anzüge mehr. Aber die Amerikaner aus dem Westen kaufen sie und lassen sich am Tag nach ihrer Ankunft in Paris fotografieren. Näher kommen sie der Kunst niemals. Aber das macht ihnen nichts aus, denn sie haben Geld.«
    Aber Philip gefiel diese malerische Kleidung. Er fand, dass sie den romantischen Geist verkörperte. Miss Price fragte ihn, wie spät es sei.
    »Ich muss jetzt wieder ins Atelier zurück«, sagte sie. »Machen Sie die Abendkurse mit?«
    Philip hatte noch nichts von diesen Abendkursen gehört, und Miss Price erklärte ihm, dass täglich von fünf bis sechs ein Modell käme, nach dem jeder für fünfzig Centimes zeichnen konnte. Die Modelle wechselten sehr häufig, und es war eine gute Übung.
    »Ich glaube, Sie sind noch nicht weit genug. Warten Sie lieber noch ein Weilchen.«
    »Ach, ich werde es versuchen. Ich habe ja nichts anderes zu tun.«
    Sie standen auf und machten sich auf den Weg zum Atelier. Philip wusste nicht so recht, ob es Miss Price recht war, dass er sie begleitete, oder nicht. Er blieb aus reiner Verlegenheit an ihrer Seite, weil er nicht wusste, wie er sich verabschieden sollte. Aber sie war nicht zum Reden zu bringen. Seine Fragen beantwortete sie schroff und unwillig.
    An der Tür zum Atelier stand ein Mann mit einer großen Schüssel, in die jeder der Eintretenden einen halben Franc hineinwarf. Der Saal war voller als am Vormittag, aber diesmal waren Engländer und Amerikaner nicht so sehr in der Überzahl; auch waren weniger Frauen da. Dies entsprach viel mehr dem, was sich Philip vorgestellt hatte. Es war sehr warm im Atelier, und die Luft wurde bald schlecht. Diesmal saß ein alter Mann mit einem mächtigen grauen Bart Modell, und Philip bemühte sich, das Wenige, was er am Vormittag gelernt hatte, in die Praxis umzusetzen; aber es kam nicht viel dabei heraus; Philip musste feststellen, dass er nicht annähernd so gut zeichnen konnte, wie er gemeint hatte. Er blickte neidisch auf die Skizzen einiger Männer, die in seiner Nähe saßen, und fragte sich, ob er jemals imstande sein würde, die Kohle mit solcher Gewandtheit zu führen. Die Stunde verflog schnell. Er hatte, um sich Miss Price nicht aufzudrängen, in einiger Entfernung von ihr Platz genommen, und als er nun auf dem Weg zum Ausgang an ihr vorbeimusste, fragte sie ihn unvermittelt, wie es mit der Arbeit gegangen sei.
    »Nicht sehr gut«, lächelte er.
    »Wenn Sie sich herabgelassen hätten, neben mir zu sitzen, hätte ich Ihnen ein paar gute Ratschläge geben können. Wahrscheinlich waren Sie sich dafür zu gut.«
    »Nein, ich hatte Angst, Ihnen lästig zu werden.«
    »Nun, das würde ich

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