Der Menschen Hoerigkeit
unterrichtet, der von beidem nichts verstand; seine Tante lehrte ihn Französisch und Klavierspielen. Französisch beherrschte sie zwar nicht, aber sie spielte gut genug Klavier, um sich selbst zu den altmodischen Liedern zu begleiten, die sie seit dreißig Jahren sang. Einst, so pflegte Onkel William Philip zu erzählen, hatte sie zwölf Lieder auswendig gekonnt und war jederzeit imstande gewesen, sie vorzusingen. Sie sang auch jetzt noch manchmal, wenn Gäste zum Tee kamen. Es gab nur wenige Menschen, die von den Careys eingeladen wurden, und die Gesellschaften im Pfarrhaus bestanden stets aus dem Kuraten, Josiah Graves und seiner Schwester und Dr. Wigram mit seiner Frau. Nach dem Tee spielte dann Miss Graves eines von den Mendelssohnschen Liedern ohne Worte und Mrs. Carey sang Wenn die Schwalben heimwärts ziehn oder Trab, trab, mein Pferdchen.
Aber die Careys gaben nur sehr selten Teegesellschaften; die Vorbereitungen verursachten ihnen zu viel Unruhe und Mühe, und wenn die Gäste gegangen waren, fühlten sie sich erschöpft. Sie tranken lieber allein ihren Tee und spielten danach Backgammon. Mrs. Carey wusste es stets so einzurichten, dass ihr Gatte gewann, denn er verlor nicht gern. Um acht Uhr gab es ein kaltes Abendessen, eine kümmerliche Mahlzeit, weil Mary Ann nach dem Tee nichts mehr mit der Küche zu tun haben wollte; Mrs. Carey half beim Abräumen. Mrs. Carey aß selten mehr als ein Butterbrot und ein wenig gekochtes Obst hinterher, aber der Vikar bekam ein Stück kaltes Fleisch. Gleich nach dem Abendessen läutete Mrs. Carey die Glocke zum Gebet, und dann ging Philip zu Bett. Er sträubte sich dagegen, von Mary Ann ausgezogen zu werden, und erkämpfte sich schließlich das Recht, sich allein aus- und anziehen zu dürfen. Um neun Uhr brachte Mary Ann die Eier und das Geschirr herein. Mrs. Carey schrieb das Datum auf jedes Ei und trug die Zahl in ein Buch ein. Dann nahm sie ihren Eierkorb in die Hand und ging ins Schlafzimmer hinauf. Mr. Carey las noch eine Weile in einem seiner alten Bücher, aber wenn die Uhr zehn schlug, stand er auf, löschte die Lampe aus und folgte seiner Frau.
Als Philip ankam, erhob sich die Frage, an welchem Tag er sein Bad nehmen sollte. Es war nie ganz leicht, eine große Menge heißen Wassers herbeizuschaffen, da der Küchenkessel nicht funktionierte, so dass an einem Tag immer nur eine Person baden konnte. Der einzige Mensch in Blackstable, der ein Badezimmer besaß, war Mr. Wilson, und man fand das reichlich großspurig von ihm. Mary Ann badete in der Küche am Montagabend, weil sie die Woche gern sauber anfangen wollte. Onkel William konnte nicht am Samstag baden, weil er einen schweren Tag vor sich hatte und nach einem Bad immer ein wenig müde war. Er badete deshalb Freitag. Mrs. Carey hatte aus dem gleichen Grund den Donnerstag gewählt. Es sah also so aus, als ergebe sich für Philip ganz natürlich der Samstag, aber Mary Ann erklärte entschieden, dass sie an einem Samstagabend unmöglich das Feuer aufrechterhalten könne. Bei all der Kocherei am Sonntag, Teig machen und wer weiß was, hatte sie keine Lust, am Samstagabend auch noch den Jungen zu baden. Und allein konnte er sich nicht baden, das war klar. Mrs. Carey scheute davor zurück, es zu tun – er war schließlich ein Knabe –, und der Vikar musste natürlich seine Predigt vorbereiten. Aber Philip sollte am Tage des Herrn sauber und rein gewaschen sein – darauf bestand der Vikar. Mary Ann war empört. Lieber wollte sie gehen, als sich immer mehr Arbeit aufbürden lassen – nach achtzehnjähriger Dienstzeit hätte sie wahrhaftig ein wenig Rücksicht verdient –, bis Philip dazwischenrief, dass er beim Baden keine Hilfe brauche. Dies gab den Ausschlag. Mary Ann sagte, sie wäre überzeugt, dass er nicht imstande sei, sich ordentlich zu waschen, und ehe sie es duldete, dass er schmutzig umherliefe – nicht weil er vor das Antlitz des Herrn treten sollte, sondern weil sie schlecht gewaschene Jungen nicht leiden konnte –, arbeite sie sich lieber zu Tode, sogar an einem Samstagabend.
7
Der Sonntag war ein ereignisreicher Tag. Mr. Carey pflegte zu betonen, dass er der einzige Mann der Gemeinde sei, für den die Woche sieben Arbeitstage habe.
Das ganze Haus stand eine halbe Stunde früher auf als gewöhnlich. Für einen armen Pastor gebe es selbst an einem solchen Tag nicht die Gelegenheit, länger im Bett zu bleiben, bemerkte Mr. Carey, wenn Mary Ann um Punkt
Weitere Kostenlose Bücher