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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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hin, das der Salon zurückgewiesen hatte; Foinet nickte, sprach aber nichts; hierauf zeigte ihm Philip die beiden Porträts von Ruth Chalice, zwei, drei Landschaften, die er in Moret gemalt hatte, und ein paar Skizzen.
    »Das ist alles«, sagte er schließlich mit einem nervösen Lachen.
    Monsieur Foinet drehte sich eine Zigarette und zündete sie an.
    »Sie haben sehr wenig Vermögen?«, fragte er endlich.
    »Sehr wenig«, antwortete Philip mit einem plötzlichen Gefühl von Kälte im Herzen. »Nicht genug, um davon zu leben.«
    »Es gibt nichts Entwürdigenderes als die ständige Sorge um das tägliche Brot. Ich habe nichts als Geringschätzung für die Leute übrig, die das Geld verachten. Sie sind Heuchler und Narren. Geld gleicht einem sechsten Sinn, ohne den man die übrigen fünf Sinne nicht vollständig nutzen kann. Ohne ein angemessenes Einkommen ist man der Hälfte der Lebensmöglichkeiten beraubt. Wovor man sich hüten muss, ist, dass der persönliche Preis höher ist als das Geld, das man verdient. Manche Leute behaupten, dass Armut der beste Ansporn für künstlerisches Schaffen sei. Sie haben sie niemals am eigenen Leib zu spüren bekommen. Sie wissen nicht, wie schlecht sie den Menschen macht. Sie setzt ihn endlosen Demütigungen aus, sie stutzt ihm die Flügel, sie frisst sich in seine Seele ein wie ein Krebs. Es ist nicht Reichtum, wonach man strebt; man verlangt nur gerade genug, um seine Würde zu bewahren, ungehindert arbeiten zu können, großzügig, frei und unabhängig zu sein. Ich bemitleide von ganzem Herzen den Künstler, ob er nun schreibt oder malt, der in seinem Lebensunterhalt einzig und allein auf die Kunst angewiesen ist.«
    Philip legte still die Bilder beiseite, die er gezeigt hatte.
    »Das klingt, als ob Sie mir keine großen Hoffnungen machen könnten.«
    Monsieur Foinet zuckte leicht die Achseln.
    »Sie haben eine gewisse manuelle Geschicklichkeit. Mit fleißiger Arbeit und Beharrlichkeit könnten Sie es dazu bringen, ein braver und nicht unfähiger Maler zu werden. Sie würden Hunderte finden, die schlechter malen als Sie, und Hunderte, die ebenso gut malen. Ich sehe kein Talent in den Dingen, die Sie mir gezeigt haben; ich sehe Fleiß und Intelligenz. Sie werden nie über das Mittelmaß hinauskommen.«
    Philip zwang sich, ganz ruhig zu antworten.
    »Ich bin Ihnen unendlich dankbar für Ihre Mühe. Sie haben mir einen großen Dienst erwiesen.«
    Monsieur Foinet stand auf und schickte sich an zu gehen, aber gleich darauf besann er sich, blieb stehen und legte Philip die Hand auf die Schulter.
    »Sollte Ihnen an meinem Rat gelegen sein, dann hören Sie: Nehmen Sie Ihren ganzen Mut zusammen und versuchen Sie etwas anderes. Das klingt sehr hart, aber glauben Sie mir: Ich selbst würde alles, was ich auf der Welt besitze, dafür geben, dass ich in Ihrem Alter diesen Rat empfangen und befolgt hätte.«
    Philip blickte überrascht zu ihm auf. Der Meister zwang seinen Lippen ein Lächeln ab, aber seine Augen blieben ernst und traurig.
    »Es ist grausam, die eigene Mittelmäßigkeit erst zu entdecken, wenn es schon zu spät ist. Es macht einen nicht umgänglicher.«
    Er lachte auf, als er die letzten Worte aussprach, und verließ rasch das Zimmer.
    Philip nahm mechanisch den Brief seines Onkels vom Tisch. Besorgt blickte er auf seine Schrift, denn gewöhnlich schrieb Tante Louisa. Sie war seit drei Monaten krank, und Philip hatte angeboten, nach England zu reisen und sie zu besuchen; sie jedoch hatte abgelehnt, aus Angst, ihn in seiner Arbeit zu stören; sie wollte ihm keine Umstände machen und bis August warten, hatte sie geschrieben, dann würde er ohnedies nach Blackstable kommen und hoffentlich zwei, drei Wochen bleiben. Falls sich ihr Zustand unvermutet verschlechtern sollte, würde sie ihn verständigen, da sie nicht sterben wollte, ohne ihn vorher noch einmal gesehen zu haben. Wenn ihm nun sein Onkel schrieb, war sie offenbar zu krank, um den Stift zu halten. Philip öffnete den Brief. Er lautete:
Mein lieber Philip,
Ich muss Dir leider mitteilen, dass Deine liebe Tante Louisa heute am frühen Morgen aus dem Leben geschieden ist. Sie ist plötzlich, aber ganz friedlich gestorben. Die Verschlechterung in ihrem Befinden trat so rasch ein, dass wir keine Zeit fanden, Dich zu rufen. Deine Tante war auf das Ende vorbereitet und ging in dem festen Glauben an eine selige Auferstehung und ergeben in den Willen unseres Herrn Jesus Christus in die ewige Ruhe ein. Deine Tante hatte den

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