Der Menschen Hoerigkeit
der Kunst unterzuordnen. Einem Einfluss unterliegend, der ihnen niemals völlig bewusst wurde, waren sie die Marionetten eines Instinktes, der sie beherrschte, und das Leben glitt ihnen ungelebt durch die Finger. Aber er hatte das Gefühl, dass das Leben da war, um gelebt, und nicht, um porträtiert zu werden, und es war sein Wunsch, all die verschiedenen Erfahrungen auszukosten und jedem Augenblick abzuringen, was er an Erlebenswertem bot. Schließlich fasste er den Entschluss, einen bestimmten Schritt zu unternehmen und dessen Ergebnis als ausschlaggebend anzusehen. Da er sich nun entschieden hatte, wollte er diesen Schritt sofort unternehmen. Glücklicherweise fügte es sich, dass am nächsten Tag Foinet ins Atelier kam, und Philip nahm sich vor, ihn ohne Umschweife zu fragen, ob er ihm rate, mit der Malerei fortzufahren. Er hatte niemals den brutalen Rat vergessen, den der Meister Fanny Price erteilt hatte. Er war vernünftig gewesen. Philip konnte Fanny nie vollständig vergessen. Das Atelier wirkte fremd ohne sie, und ab und an ließ ihn die Bewegung einer der dort arbeitenden Frauen oder der Klang einer Stimme auffahren, da sie ihn an sie erinnerten; nun, da sie tot war, war ihre Gegenwart wahrnehmbarer, als sie es jemals während ihres Lebens gewesen war; nachts träumte er oft von ihr und wachte dann mit einem Entsetzensschrei auf. Es war schrecklich, an all das Leid zu denken, das sie erduldet hatte.
Philip wusste, dass Foinet an den Tagen, an denen er in die Schule kam, in einem kleinen Restaurant in der Rue d’Odessa aß, und er beeilte sich, mit seiner eigenen Mahlzeit fertig zu werden, um den Maler draußen zu erwarten. In der belebten Straße ging Philip auf und ab, bis er schließlich Monsieur Foinet mit gesenktem Kopf auf sich zukommen sah. Philip war sehr aufgeregt, aber er zwang sich, an ihn heranzutreten.
» Pardon, monsieur. Ich möchte Sie einen Augenblick sprechen.«
Foinet hob rasch den Blick, erkannte ihn, grüßte aber mit keinem Lächeln.
»Sprechen Sie«, sagte er.
»Ich arbeite seit zwei Jahren unter Ihnen und wollte Sie bitten, mir aufrichtig zu sagen, ob es für mich einen Sinn hat weiterzumalen.«
Philips Stimme zitterte ein wenig. Foinet setzte seinen Weg fort, ohne aufzuschauen. Philip, der sein Gesicht beobachtete, konnte nicht die Spur eines Ausdrucks darin erkennen.
»Ich verstehe nicht.«
»Ich bin arm. Wenn ich kein Talent habe, möchte ich lieber etwas anderes tun.«
»Wissen Sie nicht, ob Sie Talent haben?«
»Alle meine Freunde wissen, dass sie Talent haben. Aber ich merke, dass einige von ihnen sich täuschen.«
Foinets bitterer Mund verzog sich zu dem Schatten eines Lächelns, und er fragte:
»Wohnen Sie in der Nähe?«
Philip nannte seine Adresse, und Foinet kehrte um.
»Gehen wir hin. Sie werden mir Ihre Arbeiten zeigen.«
»Jetzt gleich?«, rief Philip.
»Warum nicht?«
Philip hatte nichts zu entgegnen. Schweigend ging er neben dem Meister her. Er kämpfte mit einer schrecklichen Übelkeit. Nie hätte er gedacht, dass Foinet seine Sachen auf der Stelle würde sehen wollen; er hatte die Absicht gehabt, ihn, um sich in Ruhe vorbereiten zu können, für einen späteren Tag in sein Atelier zu bitten oder ihm anzubieten, in seines zu kommen. Er zitterte vor Aufregung. In seinem Herzen hoffte er, dass Foinet seine Bilder betrachten und dann mit jenem Lächeln, das so selten auf seinem Gesicht erschien, seine Hand ergreifen und ausrufen würde: » Pas mal. Nur weiter, mein Junge. Sie haben Talent, wirkliches Talent.« Philips Herz schlug höher bei diesem Gedanken. Welche Erlösung, welches Glück! Nun durfte er mit Mut weiterarbeiten; was bedeuteten Mühsal, Entbehrung und Enttäuschung, wenn er des richtigen Weges sicher war? Er hatte sehr fleißig gearbeitet; es wäre zu grausam, wenn alle Mühe umsonst gewesen wäre. Aber mit Schrecken erinnerte er sich, dass Fanny Price genau das Gleiche gedacht hatte. Sie gelangten zu dem Haus, und Philip wurde von Angst gepackt. Am liebsten hätte er Foinet gebeten, wieder umzukehren. Er wollte die Wahrheit nicht wissen. Sie traten ein, und als sie an der Portierloge vorüberkamen, überreichte die concierge Philip einen Brief. Er warf einen Blick auf das Kuvert und erkannte die Handschrift seines Onkels. Foinet stieg hinter ihm die Treppe hinauf. Philip fiel nichts zu sagen ein; auch Foinet war stumm, und die Stille zerrte an Philips Nerven. Der Professor setzte sich, und Philip stellte wortlos das Porträt vor ihn
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