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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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wenig zu eigenmächtig, und ich hielt es für eine günstige Gelegenheit, ihr zu kündigen.«
    »Sicherlich eine Gelegenheit, die so bald nicht wiederkehren wird.«
    Philip nahm eine Zigarette heraus, aber sein Onkel gestattete ihm nicht, sie anzuzünden.
    »Erst wenn die Beerdigung vorbei ist«, sagte er sanft.
    »Ist gut«, sagte Philip.
    »Es scheint mir nicht ehrerbietig zu rauchen, solange die arme Tante noch im Haus ist.«
    Josiah Graves, Kirchenvorsteher und Bankleiter, kam nach dem Begräbnis zum Essen ins Pfarrhaus. Die Jalousien waren hinaufgezogen worden, und Philip empfand wider Willen ein seltsames Gefühl der Erleichterung. Der Leichnam im Hause war ihm unangenehm gewesen: In ihrem Leben war die arme Frau freundlich und sanft; und doch schien es, als sie kalt und steif oben in ihrem Schlafzimmer lag, als übe sie auf die Überlebenden einen unheilbringenden Einfluss aus. Der Gedanke erschreckte Philip.
    Vor dem Essen blieb er ein paar Minuten mit dem Kirchenvorsteher im Esszimmer allein. »Ich hoffe, Sie werden eine Weile bei Ihrem Onkel bleiben können«, sagte Mr.   Graves. »Es wäre nicht richtig, ihn jetzt allein zu lassen.«
    »Ich habe noch keine festen Pläne«, erwiderte Philip. »Wenn er mich braucht, werde ich gerne bleiben.«
    Bemüht, den trauernden Gatten aufzuheitern, sprach der Kirchenvorsteher bei Tisch von einem Feuer, das vor kurzem in Blackstable ausgebrochen war und einen Teil der methodistischen Kapelle zerstört hatte.
    »Wie ich höre, waren sie nicht versichert«, sagte er mit einem Lächeln.
    »Das hat nicht viel zu bedeuten«, meinte der Vikar. »Sie werden Geld bekommen, so viel sie brauchen. Methodisten sind immer bereit zu spenden, wenn es um ihre Sache geht.«
    »Ich sehe, dass Holden einen Kranz geschickt hat.«
    Holden war der methodistische Geistliche, und obgleich Mr.   Carey ihm um Christi willen, der auch für ihn gestorben war, auf der Straße zunickte, sprach er nicht mit ihm.
    »Ich finde es sehr aufdringlich von ihm«, bemerkte er. »Es waren insgesamt einundvierzig Kränze. Der Ihre war wunderschön. Philip und ich haben ihn sehr bewundert.«
    »Sie beschämen mich«, sagte der Bankier.
    Er hatte mit Genugtuung festgestellt, dass sein Kranz größer gewesen war als alle anderen. Er hatte sehr gut ausgesehen. Man fing an, über die Leute zu sprechen, die an der Beerdigung teilgenommen hatten. Die Läden waren während der Trauerzeremonie geschlossen worden, und der Kirchenvorsteher zog eine gedruckte Anzeige aus der Tasche: Anlässlich des Begräbnisses von Mrs.   Carey wird dieses Lokal erst um ein Uhr wieder geöffnet.
    »Das war meine Idee«, sagte er.
    »Es war sehr nett, dass Sie die Läden geschlossen haben«, sagte der Vikar. »Die arme Louisa hätte dies zu würdigen gewusst.«
    Philip saß vor seinem Teller. Mary Ann hatte ein Sonntagsessen auf den Tisch gebracht. Es gab gebratenes Huhn und Stachelbeertorte.
    »Sie werden sich noch nicht überlegt haben, was für einen Grabstein Sie wünschen?«, fragte der Kirchenvorsteher.
    »Doch, doch. Ich dachte an ein einfaches Steinkreuz. Louisa war immer gegen alles Auffällige.«
    »Ein Kreuz ist wirklich das Schönste. Jetzt müssen Sie nur noch eine passende Inschrift finden. Was meinen Sie zu: Mit Jesus in einer besseren Welt ?«
    Der Vikar verzog die Lippen. Das sah Bismarck wieder einmal ähnlich. In alles musste er sich einmischen. Mr.   Carey gefiel dieser Text nicht. Er warf ein schlechtes Licht auf ihn selbst.
    »Nein, ich glaube, ich werde eine andere Inschrift wählen. Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen gefällt mir eigentlich viel besser.«
    »Wirklich? Ich habe es immer ein bisschen gleichgültig gefunden.«
    Der Vikar gab eine kühle Antwort, und Mr.   Graves reagierte in einem Ton, den der Witwer anmaßend fand. Das ging doch wirklich zu weit, dass er sich nicht einmal den Text für den Grabstein seiner Frau aussuchen durfte! Es trat eine Pause ein, und dann ging das Gespräch zu Gemeindeangelegenheiten über. Philip begab sich in den Garten, um eine Pfeife zu rauchen. Er setzte sich auf eine Bank und fing plötzlich an, hysterisch zu lachen.
    Einige Tage später sprach sein Onkel die Hoffnung aus, dass er die nächsten Wochen in Blackstable verbringen würde.
    »Ja, das passt mir sehr gut«, entgegnete Philip.
    »Es genügt vielleicht, wenn du im September nach Paris zurückkehrst.«
    Philip antwortete nicht. Er hatte viel über das nachgedacht, was Foinet ihm gesagt hatte,

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