Der Menschen Hoerigkeit
geschieht, ist unwichtig, wir gewinnen alles, was wir je daraus ziehen können, wenn wir sie erschaffen.«
Es trat eine Pause ein, während der Clutton heißhungrig das Essen hinunterschlang, das man vor ihn hingestellt hatte. Philip hatte sich eine billige Zigarette angezündet und beobachtete ihn aufmerksam. Der wilde Kopf, der aussah, als wäre er aus einem dem Meißel des Bildhauers widerstrebenden Stein herausgehauen, die zottige Mähne dunklen Haares, die große Nase und die massiven Kieferknochen ließen auf einen kraftvollen Menschen schließen. Dennoch fragte sich Philip, ob sich hinter dieser Maske nicht am Ende eine seltsame Schwäche verbarg. Cluttons Weigerung, seine Arbeiten zu zeigen, konnte reinste Eitelkeit sein. Vielleicht scheute er die Kritik und wollte sich nicht der Demütigung aussetzen, vom Salon abgewiesen zu werden. Er wollte als Meister seines Faches angesehen werden und scheute den Vergleich mit anderen Arbeiten, die ihn vielleicht dazu zwingen würden, seine Selbsteinschätzung zu überdenken. Während der achtzehn Monate, die Philip ihn kannte, war Clutton immer härter und verbitterter geworden. Obgleich er es ablehnte, an die Öffentlichkeit zu treten und sich mit den andern zu messen, ärgerte er sich über ihre billigen Erfolge. Mit Lawson stand er lange nicht mehr so gut wie zu der Zeit, da Philip die beiden kennengelernt hatte.
»Um Lawson mache ich mir keine Sorgen«, sagte er verächtlich. »Er wird nach England zurückkehren und ein berühmter Modemaler werden mit zehntausend Pfund im Jahr. Handgemalte Porträts für den Adel und die höheren Kreise.«
Aber auch Philip schaute in die Zukunft und sah Clutton zwanzig Jahre später, verbittert, einsam, wild und unbekannt; immer noch in Paris, denn das Leben dort ließ ihn nicht los – mit schonungsloser Zunge einen kleinen Kreis von Jüngern regierend, im Krieg mit sich selbst und der Welt, wenig produzierend in seiner wachsenden Leidenschaft für das Vollkommene, das er nie erreichen würde, und schließlich vielleicht dem Trinken verfallen. In letzter Zeit hatte sich Philip manchmal gefragt, ob man nicht bestrebt sein müsste, das Leben, das einzige, das einem gegeben war, erfolgreich zu gestalten. Unter Erfolg verstand er aber nicht Geld und Ruhm; er wusste noch nicht genau, was er darunter verstand, vielleicht vielfältige Erfahrungen zu sammeln oder das Beste aus seinen Fähigkeiten zu machen. Auf alle Fälle war es klar, dass das Leben, das Clutton bestimmt schien, ein verfehltes sein würde. Nur eines würde es rechtfertigen können: die Entstehung unvergänglicher Meisterwerke. Er erinnerte sich an Cronshaws wunderliches Gleichnis von dem persischen Teppich; er hatte oft daran gedacht; aber Cronshaw mit seinem bizarren Humor hatte sich geweigert, es näher zu erklären: Jeder musste für sich selbst den Sinn herausfinden. Dieser Wunsch, sein Leben erfolgreich zu gestalten, lag Philips Zweifeln zugrunde, ob er seine künstlerische Laufbahn fortsetzen sollte. Aber Clutton fing wieder an zu sprechen:
»Du wirst dich erinnern, dass ich dir von einem Maler erzählt habe, den ich in der Bretagne kennengelernt hatte. Ich bin ihm neulich begegnet. Er ist jetzt nach Tahiti abgereist. Er war ein gut verdienender Börsenmakler in London und hatte Frau und Kinder. Aber er hat alles aufgegeben, um Maler zu werden. Er ist in die Bretagne gegangen und hat angefangen zu malen. Er hatte gar kein Geld und hungerte sich durch.«
»Und seine Familie?«, fragte Philip.
»Ach, die hat er fallenlassen. Sie sollten selbst schuld sein, wenn sie verhungerten.«
»Das finde ich nicht gerade anständig.«
»Lieber Junge, wenn du ein Gentleman sein willst, darfst du kein Künstler werden. Diese beiden Dinge haben nicht das Geringste miteinander zu tun. Man hört von Menschen, die Blumentöpfe bemalen, um eine alte Mutter durchzubringen – das zeigt, dass sie ausgezeichnete Söhne sind, ist aber keine Entschuldigung für schlechte Arbeit. Sie sind Geschäftsleute und nichts anderes. Ein Künstler würde seine Mutter ins Armenhaus stecken. Ich kenne einen Schriftsteller hier, der mir erzählt hat, dass seine Frau an Kindbettfieber gestorben ist. Er liebte sie und verlor beinah den Verstand vor Kummer, aber während er an ihrem Bett saß und sah, wie sie starb, bemerkte er plötzlich, dass er im Geist festzuhalten versuchte, wie sie aussah, was sie sagte und was er dabei fühlte. Ein Gentleman, nicht?«
»Aber ist dein Freund ein guter
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