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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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schon zu bedeuten?«
    Und er verbreitete sich über die Lockungen der Rue de la Paix und die grelle Pracht der Folies Bergères. Er schilderte den Louvre und den Bon Marché. Er erzählte Mildred vom Cabaret du Néant, vom Abbaye und andern Vergnügungsstätten von Paris. Er malte ihr in strahlenden Farben jene Seite von Paris aus, die er verabscheute. Er drängte sie, sich zu der Reise zu entschließen.
    »Du behauptest immer, dass du mich liebst. Wenn das wirklich wahr wäre, würdest du mich heiraten. Aber davon hast du noch nie etwas gesagt.«
    »Wie sollte ich auch? Ich bin doch erst im ersten Jahr. Ehe ich verdienen kann, brauche ich noch sechs Jahre.«
    »Natürlich. Ich mache dir auch keinen Vorwurf daraus. Außerdem würde ich dich nie und nimmer heiraten, und wenn du mich auf den Knien darum bätest.«
    Er hatte mehr als einmal ans Heiraten gedacht, aber es war ein Schritt, vor dem er zurückschreckte. In Paris hatte er sich angewöhnt, die Ehe als eine lächerliche, für Philister bestimmte Institution anzusehen. Er wusste auch, dass ihn eine feste Bindung ruinieren würde. Mit seinen tief verwurzelten bürgerlichen Begriffen fand er es schrecklich, eine Kellnerin zu heiraten. Es würde seine Karriere ruinieren. Überdies hatte er nur gerade noch Geld genug, um seine Studien zu Ende zu führen. Er konnte nicht für eine Frau sorgen, von Kindern ganz zu schweigen. Er dachte an Cronshaws verkommenes Weib und schauderte vor Entsetzen. Er stellte sich vor, was aus Mildred mit ihren vornehmen Ideen und ihrem gewöhnlichen Geist werden würde. Er konnte sie unmöglich heiraten. Aber nur sein Verstand urteilte so. Sein Gefühl sagte ihm, dass er sie haben musste, was immer es kostete; und wenn er sie nicht bekam, ohne sie zu heiraten, so würde er sich eben zur Ehe entschließen. Mochte es enden, wie es wollte, es war ihm gleich. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, war er so besessen, dass er an nichts anderes denken konnte, und er hatte eine ungewöhnliche Kraft, sich selbst von der Richtigkeit dessen, was er sich wünschte, zu überzeugen. Er schob alle sinnvollen Argumente, die ihm gegen die Ehe einfielen, beiseite. Von Tag zu Tag war er ihr leidenschaftlicher ergeben; seine unbefriedigte Liebe machte ihn aufgebracht und wütend.
    ›Wenn ich sie heirate, dann soll sie mir bezahlen, was ich für sie gelitten habe, bei Gott‹, sagte er sich.
    Endlich konnte er die Qual nicht länger ertragen. Eines Abends, in dem kleinen Restaurant in Soho, in dem sie nun häufig Gäste waren, sprach er mit ihr.
    »War es dein Ernst, dass du mich nicht heiraten würdest, wenn ich dich fragen würde?«
    »Ja. Warum?«
    »Weil ich ohne dich nicht leben kann. Ich will dich immer bei mir haben. Ich habe versucht, mir das aus dem Kopf zu schlagen, aber ich schaffe es nicht. Willst du mich heiraten?«
    Sie hatte zu viele Groschenromane gelesen, um nicht zu wissen, wie man sich in einem solchen Fall verhielt.
    »Ich danke dir, Philip. Dein Antrag ehrt mich.«
    »Ach, red keinen Unsinn. Du willigst ein, ja?«
    »Glaubst du denn, dass wir miteinander glücklich werden könnten?«
    »Nein, aber was macht das schon?« Die Worte entrangen sich ihm wider Willen. Mildred blickte ihn erstaunt an.
    »Du bist ein komischer Mensch! Warum willst du mich dann heiraten? Neulich hast du gesagt, du könntest es dir nicht leisten.«
    »Ich habe noch vierzehnhundert Pfund übrig. Zwei können ebenso billig leben wie einer. – Wir hätten also genug, bis ich mein Studium beendet habe. Nachher könnte ich eine Assistenzstelle annehmen.«
    »Das heißt, du wirst erst in sechs Jahren etwas verdienen. Bis dahin müssten wir also mit vier Pfund wöchentlich auskommen, nicht?«
    »Mit etwas über drei. Das Übrige brauche ich für meine Studiengelder.«
    »Und was bekämst du als Assistent?«
    »Drei Pfund wöchentlich.«
    »Du musst also sechs Jahre arbeiten und ein kleines Vermögen ausgeben, um schließlich drei Pfund wöchentlich zu verdienen? Da wäre ich nicht besser dran als jetzt.«
    Philip schwieg einen Augenblick.
    »Du willst also nicht«, sagte er schließlich. »Meine große Liebe bedeutet dir gar nichts.«
    »Man muss bei solchen Dingen an sich selbst denken. Ich hätte nichts dagegen zu heiraten, aber nur, wenn ich meine Lage dadurch verbessere, sonst bleibe ich lieber ledig.«
    »Wenn du mich liebhättest, würdest du nicht nur ans Geld denken.«
    »Vielleicht nicht.«
    Er verstummte. Hastig, um das Würgen in seiner Kehle zu

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