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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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Besucherinnen im Hut stecken hatte. Mildred war pikiert.
    »Du könntest mir gratulieren«, sagte sie.
    »Ja, das könnte ich vielleicht. Aber ich kann es kaum glauben. Ich habe so oft davon geträumt. Es ärgert mich, dass ich mich so gefreut habe, weil du mit mir essen gehen wolltest. Wen heiratest du denn eigentlich?«
    »Miller«, antwortete sie, leicht errötend.
    »Miller?«, rief Philip verblüfft. »Aber du hast ihn doch seit Monaten nicht mehr gesehen.«
    »Er ist vorige Woche plötzlich wieder aufgetaucht und hat mir seinen Antrag gemacht. Er verdient sehr gut. Sieben Pfund die Woche mit Aussicht auf Erhöhung.«
    Wiederum schwieg Philip. Er erinnerte sich, dass sie Miller gerne gemocht hatte; er verstand es, sie zu unterhalten, dass er Ausländer war, hatte etwas Exotisches für sie.
    »Wahrscheinlich musste es so kommen«, sagte er schließlich. »Der Meistbietende hat den Sieg davongetragen. Wann gedenkst du zu heiraten?«
    »Nächsten Samstag. Ich habe bereits gekündigt.«
    Philip spürte einen Stich im Herzen.
    »So bald schon?«
    »Wir werden auf dem Standesamt heiraten. Emil ist das lieber.«
    Philip fühlte sich furchtbar müde. Er hatte das Verlangen, von ihr wegzukommen. Er wollte sofort zu Bett gehen und rief nach der Rechnung.
    »Ich setze dich in eine Droschke zur Victoria Station. Sicherlich wirst du nicht lange auf einen Zug warten müssen.«
    »Begleitest du mich nicht?«
    »Ich möchte lieber gleich nach Hause gehen, wenn es dir nichts ausmacht.«
    »Wie du willst«, antwortete sie hochmütig. »Dann sehe ich dich morgen Nachmittag.«
    »Nein, wir wollen lieber gleich einen Schlusspunkt machen. Warum sollte ich mich weiter unglücklich machen. Die Droschke ist bezahlt.«
    Er nickte ihr zu und zwang ein Lächeln auf seine Lippen. Dann sprang er auf einen Bus. Vor dem Zubettgehen rauchte er noch eine Pfeife, aber er konnte kaum die Augen offen halten. Er litt nicht. Kaum hatte sein Kopf das Kissen berührt, fiel er in einen schweren Schlaf.
    64
     
    Aber gegen drei Uhr früh erwachte Philip und konnte nicht wieder einschlafen. Seine Gedanken gingen zu Mildred. Er wehrte sich dagegen, aber sie ließen sich nicht verscheuchen. Er wiederholte sich immer und immer wieder das Gleiche, bis ihm der Kopf schwirrte. Natürlich musste Mildred einmal heiraten. Das Leben war schwer für ein Mädchen, das sich seinen eigenen Lebensunterhalt zu verdienen hatte. Warum sollte sie nicht zugreifen, wenn sie jemanden fand, der ihr ein behagliches Heim bot? Philip sah ein, dass für sie eine Heirat mit ihm Wahnsinn gewesen wäre. Liebe allein hätte solche Armut erträglich machen können, und sie liebte ihn nicht. Es war nicht ihre Schuld, es war eine Tatsache und musste als Tatsache hingenommen werden. Philip versuchte vernünftig zu sein. Er sagte sich, dass letztlich verletzter Stolz im Spiele war; seine Leidenschaft hatte mit gekränkter Eitelkeit angefangen, und das war zum großen Teil auch jetzt der Grund, warum er sich so elend fühlte. Er verachtete sich selbst, genauso sehr wie er sie verachtete. Dann entwarf er Zukunftspläne, immer wieder die gleichen, zwischendurch tauchten Erinnerungen auf an Küsse, ihre weichen blassen Wangen und an den Klang ihrer Stimme mit dem etwas schleppenden Akzent. Er hatte eine Menge Arbeit vor sich, da ihm im Sommer außer den beiden Examen, bei denen er schon einmal durchgefallen war, auch noch die Chemie-Prüfung bevorstand. Von seinen Freunden im Krankenhaus hatte er sich abgesondert, jetzt aber sehnte er sich nach Gesellschaft. Es traf sich glücklich, dass Hayward ihm vor vierzehn Tagen geschrieben hatte, er würde durch London reisen. Er hatte ihn zum Essen eingeladen, aber Philip hatte damals abgesagt, weil er nicht gestört sein wollte. Er hatte jedoch die Absicht, zum Semesteranfang wieder nach London zurückzukommen. Philip entschloss sich, ihm zu schreiben.
    Er war froh, als es acht schlug und er aufstehen konnte. Er war blass und übernächtigt. Aber nachdem er gebadet, sich angezogen und gefrühstückt hatte, sah er wieder mit freundlicheren Augen in die Welt. Der Schmerz schien leichter zu ertragen. Es war ihm nicht danach zumute, an diesem Morgen die Vorlesungen zu besuchen; stattdessen ging er ins Warenhaus, um für Mildred ein Hochzeitsgeschenk zu besorgen. Nach langem Hin und Her entschied er sich für ein Reisenecessaire. Es kostete zwanzig Pfund – eigentlich weit mehr, als er sich leisten konnte –, aber es war protzig, und es war so recht nach

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