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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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hielt ihm die Lippen entgegen, und mit einem Seufzer der Erleichterung küsste er sie.
    »Bist du jetzt wieder froh?«, fragte sie.
    »Wahnsinnig.«
    Sie wünschte ihm gute Nacht und eilte die Straße hinunter. Am nächsten Tag brachte er ihr eine kleine Uhr, die man wie eine Brosche am Kleid befestigen konnte und die sie sich schon lange gewünscht hatte.
    Aber drei, vier Tage später, als sie ihm einen Tee brachte, sagte Mildred:
    »Du erinnerst dich doch an dein Versprechen von neulich. Hoffentlich wirst du es halten.«
    »Ja.«
    Er wusste genau, was sie meinte, und war auf das, was folgte, vorbereitet.
    »Ich gehe nämlich heute Abend mit dem Herrn aus, von dem ich dir erzählt habe.«
    »Schön. Unterhalte dich gut.«
    »Es macht dir doch nichts aus, oder?«
    Er hatte sich nun vollkommen in der Gewalt.
    »Nur ein ganz klein wenig«, lächelte er. »Aber das soll dich nicht weiter stören.«
    Sie freute sich auf den Abend und plauderte unbefangen darüber. Philip wusste nicht, ob sie es mit Absicht tat, um ihn zu quälen, oder aus bloßer Gedankenlosigkeit. Er hatte sich angewöhnt, ihre herzlose Art mit Dummheit zu entschuldigen. Sie war nicht klug genug zu merken, dass sie ihn verletzte.
    ›Es ist nicht schön, in ein Mädchen verliebt zu sein, das keine Einfühlungsgabe und keinen Sinn für Humor hat‹, dachte er bei sich, während er ihr zuhörte.
    Aber der Mangel an diesen Dingen war ihre Entschuldigung. Hätte er das nicht erkannt, hätte er ihr niemals die Qualen verzeihen können, die sie ihm bereitete.
    »Er hat Sitze fürs Tivoli besorgt«, erzählte sie. »Ich durfte wählen und habe mir das ausgesucht. Und wir werden im Café Royal dinieren. Das ist das teuerste Lokal von London, hat er mir gesagt.«
    ›Er ist ein Gentleman in jedem Sinn des Wortes‹, dachte Philip. Aber er musste die Zähne zusammenbeißen, um sich keine Silbe entschlüpfen zu lassen.
    Philip ging ins Tivoli und sah Mildred mit ihrem Begleiter, einem glattgesichtigen jungen Menschen mit strähnigem Haar und dem geschniegelten Aussehen eines Handlungsreisenden, in der zweiten Parkettreihe sitzen. Mildred trug einen breitrandigen Hut mit Straußenfedern, der ihr gut stand. Sie hörte den Reden ihres Kavaliers mit jenem stillen Lächeln zu, das Philip so genau kannte; es war nicht leicht und erforderte eine derbe Art von Humor, um sie zum Lachen zu bringen; aber Philip merkte, dass sie interessiert und angetan war. Mit Bitterkeit stellte er fest, dass ihr Begleiter, oberflächlich und jovial, wie er war, ausgezeichnet zu ihr passte. Aufgrund ihrer Trägheit schätzte sie laute Personen. Philip diskutierte leidenschaftlich gern, besaß aber kein Talent für seichte Unterhaltungen. Er bewunderte die Kunst, ungezwungen Späße zu machen, die manche seiner Freunde, zum Beispiel Lawson, meisterhaft beherrschten, und sein Gefühl der Unterlegenheit machte ihn schüchtern und linkisch. Die Dinge, die ihn interessierten, langweilten Mildred. Sie erwartete von Männern, dass sie über Fußball und Rennen sprachen, und er wusste davon nicht das Geringste. Er kannte die Stichwörter nicht, die gesagt werden mussten, um sie zum Lachen zu reizen.
    Gedrucktes war schon immer Philips Leidenschaft gewesen, und nun las er, um sich interessanter zu machen, eifrig die Sporting Times.
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    Philip überließ sich nicht widerstandslos der Leidenschaft, die ihn verzehrte. Er wusste, dass alle menschlichen Dinge vergänglich sind und dass auch sie eines Tages enden musste. Er sehnte diesen Tag mit aller Inbrunst herbei. Die Liebe war wie ein Parasit in seinem Herzen, der sich vom Blut seines Lebens nährte; sie füllte sein Dasein so vollkommen aus, dass er kein anderes Vergnügen mehr kannte. Früher hatte er sich an der Schönheit der Natur erfreuen können; stundenlang war er im St.   James Park gesessen und hatte die Bäume betrachtet, wie sie sich gegen den Himmel abhoben; es war wie ein japanischer Stich; die Themse mit ihren Schiffen und Kähnen hatte ihn immer aufs Neue bezaubert, und der wechselhafte Himmel von London hatte seiner Seele wunderbare Träume vorgegaukelt. Nun aber hatte all dies keine Bedeutung mehr für ihn. Er war gelangweilt und ruhelos, wenn er nicht mit Mildred zusammen war. Manchmal wollte er sich durch schöne Bilder über seinen Kummer hinwegtrösten, aber er ging durch die National Gallery wie ein Tourist, und kein Bild löste auch nur eine Regung von Begeisterung in ihm aus. Ob sein Interesse für alle diese Dinge

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