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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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du vielleicht zu mir zurück.«
    Jetzt, wo er den Vorschlag gemacht hatte, war ihm elend vor lauter Kummer, und doch verursachte die Qual, die darin lag, ihm ein seltsam erhebendes Gefühl. Sie starrte ihn mit aufgerissenen Augen an.
    »Ach, wie könnten wir das tun, mit deinem Geld? Harry würde das nicht annehmen.«
    »O doch, das würde er schon, wenn du ihn überredest.«
    Ihr Widerspruch reizte ihn, fest zu bleiben, obwohl er von ganzem Herzen wünschte, dass sie sein Angebot heftig ablehnte.
    »Ich gebe dir eine Fünfpfundnote, und ihr könntet von Samstag bis Montag fortfahren. Das ließe sich leicht machen. Am Montag fährt er nach Hause, bis er seine Stellung in Nord-London antreten muss.«
    »O Philip, meinst du das ernst?«, rief sie und klatschte in die Hände. »Wenn du uns nur gehen ließest – ich würde dich nachher so lieben; ich tue alles für dich. Ich werde sicher drüber wegkommen, wenn du das tust. Willst du uns wirklich das Geld geben?«
    »Ja«, sagte er.
    Sie war jetzt völlig verändert. Sie fing an zu lachen. Er konnte es ihr ansehen, dass sie außer Rand und Band war vor Glück. Sie stand auf, kniete neben Philip nieder und nahm seine Hände.
    »Du bist ein großartiger Kerl, Philip. Du bist der Beste, den ich jemals kennengelernt habe. Wirst du mir auch nachher nicht böse sein?«
    Er schüttelte lächelnd den Kopf, aber sein Herz tobte.
    »Darf ich jetzt zu Harry gehen und es ihm erzählen? Und darf ich ihm sagen, dass es dir recht ist? Er willigt bestimmt nicht ein, wenn du nicht versprichst, dass es dir nichts ausmacht. Ach, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie ich ihn liebe! Und nachher, dann tu ich alles, was du willst. Ich komme mit dir am Montag nach Paris mit oder sonst wohin.«
    Sie stand auf und setzte sich den Hut auf.
    »Wohin gehst du?«
    »Ich gehe jetzt und frage ihn, ob er mich mitnehmen will.«
    »Schon?«
    »Soll ich noch bleiben? Ich bleibe, wenn du es gern möchtest.«
    Sie setzte sich wieder, aber er lachte leicht auf.
    »Nein, es macht nichts. Geh nur gleich. Nur eins: Ich kann es im Moment nicht ertragen, Griffith zu sehen; es würde mir furchtbar weh tun. Sag ihm, ich trage ihm nichts nach oder so etwas, aber bitte ihn, dass er mir nicht über den Weg laufen soll.«
    »Gut!« Sie sprang auf und zog sich die Handschuhe an. »Ich erzähl dir dann, was er sagte.«
    »Am besten wird es sein, wir essen heute Abend zusammen.«
    »Gern.«
    Sie hielt ihm ihr Gesicht hin, damit er sie küsste, und als er seine Lippen auf ihre presste, warf sie ihm die Arme um den Hals.
    »Du bist ein lieber Kerl, Philip.«
    Sie schickte ihm ein paar Stunden später ein Zettelchen, auf dem sie ihm mitteilte, dass sie Kopfschmerzen habe und nicht mit ihm essen gehen könne. Philip hatte es eigentlich erwartet. Er wusste, sie ging mit Griffith aus. Er war schrecklich eifersüchtig; aber die plötzliche Leidenschaft, die die beiden ergriffen hatte, schien von irgendwo außerhalb ihrer selbst gekommen zu sein, als hätte sie ein Gott damit heimgesucht, und er fühlte sich demgegenüber hilflos. Es schien so natürlich, dass sie einander liebten. Er sah all die Vorzüge, die Griffith ihm voraushatte, und gab zu, dass er an Mildreds Stelle wohl genauso gehandelt hätte. Was ihn am meisten kränkte, war Griffiths Verrat; sie waren so gute Freunde gewesen, und Griffith wusste, wie leidenschaftlich er Mildred ergeben war: Er hätte ihm das ersparen sollen.
    Er sah Mildred bis Freitag nicht; er war krank vor Sehnsucht nach ihrem Anblick; als sie aber kam und er erkannte, dass er völlig aus ihren Gedanken verschwunden war, weil nur noch Griffith darin Platz hatte, hasste er sie plötzlich. Er erkannte auf einmal, warum sie und Griffith sich liebten: Griffith war dumm, ach, so dumm – er hatte es immer gewusst, hatte aber die Augen davor verschlossen –, ein dummer Hohlkopf; sein Charme verhüllte nur äußerste Selbstsucht, seiner Lust opferte er jeden. Und wie blöd war das Leben, das er führte. Herumlungern in Bars, Trinken in Restaurants und Varietés, Hinundherflattern von einer Liebesaffäre zur nächsten. Er las niemals ein Buch; er war allem gegenüber blind, was nicht gemein und frivol war; er hatte niemals einen schönen Gedanken: Das Wort, das er fast stets auf den Lippen führte, war ›smart‹, es war die höchste Lobpreisung, die er für Frauen oder Männer übrighatte. Kein Wunder, dass er Mildred gefiel. Sie passten zueinander.
    Philip sprach mit Mildred über belanglose Dinge.

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