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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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ist am Samstag die Miete fällig, und ich kann nicht innerhalb von fünf Minuten Arbeit finden. Man muss immer ein bisschen warten, ehe etwas frei wird.«
    Sie leierte das alles in gleichmäßigem, mürrischem Ton herunter, als zählte sie nur die Ungerechtigkeiten des Schicksals auf, die eben als Teil der natürlichen Ordnung hingenommen werden müssen. Philip antwortete nicht. Was sie ihm da erzählte, wusste er gut genug.
    »Du hast eben ›teils‹ gesagt«, bemerkte er endlich.
    »Na ja, Harry sagt, du hast dich uns beiden gegenüber großartig verhalten. Du seist ihm ein richtig guter Freund gewesen, hat er gesagt, und du hättest für mich getan, was wahrscheinlich sonst niemand getan hätte. Wir müssen das Richtige tun, sagte er. Und er sagte, was auch du über ihn gesagt hast, dass er nämlich flatterhaft sei; er sei nicht wie du, und ich wäre ein Narr, wenn ich dich seinetwegen wegwerfen würde. Bei ihm hat das keine Dauer, aber bei dir doch, hat er selbst gesagt.«
    » Möchtest du mit mir kommen?«, fragte Philip.
    »Ich habe nichts dagegen.«
    Er sah sie an und ließ elend die Mundwinkel sinken. Er hatte triumphiert, jawohl, und er bekam, was er wollte. Er lachte leise und spöttisch im Gefühl seiner Erniedrigung auf. Sie warf ihm einen schnellen Blick zu, sagte aber nichts.
    »Ich habe mich aus ganzem Herzen darauf gefreut, mit dir fortzugehen, und ich dachte, ich würde endlich, nach all dem Jammer, einmal glücklich sein…«
    Er brachte, was er sagen wollte, nicht zu Ende. Und plötzlich, ohne irgendeinen Übergang, brach Mildred in einen Strom von Tränen aus. Sie saß in dem Stuhl, in dem Norah gesessen und geweint hatte, und sie verbarg, wie sie, ihr Gesicht an der Lehne.
    ›Ich habe kein Glück bei Frauen‹, dachte Philip.
    Ihr magerer Körper wurde vom Schluchzen geschüttelt. Philip hatte noch nie eine Frau mit solcher Hingabe weinen sehen. Es war schrecklich schmerzhaft und zerriss ihm das Herz. Ohne selbst zu wissen, was er tat, ging er zu ihr und legte seine Arme um sie; sie widersetzte sich nicht, sondern gab sich in ihrem Jammer seinem Trost willig hin. Er flüsterte ihr kleine Trostworte zu. Er wusste kaum, was er sagte; er neigte sich über sie und küsste sie einige Male.
    »Bist du schrecklich unglücklich?«, fragte er endlich.
    »Ich wünschte, ich wäre tot«, stöhnte sie. »Ich wünschte, ich wäre gestorben, als das Kind kam.«
    Ihr Hut war ihr im Wege, und Philip nahm ihn ihr ab. Er legte ihren Kopf bequemer im Lehnstuhl zurecht, und dann ging er und setzte sich an den Tisch und schaute sie an.
    »Liebe ist schrecklich, nicht wahr?«, sagte er. »Dass sich überhaupt jemand wünschen kann, verliebt zu sein…«
    Dann ließ die Heftigkeit ihres Schluchzens nach, und sie saß ganz erschöpft im Stuhl, mit zurückgeworfenem Kopf und herabhängenden Armen. Es war ein grotesker Anblick: wie eine Kleiderpuppe, an der Maler Kleiderfalten drapieren.
    »Ich habe nicht gewusst, dass du ihn so sehr liebst«, sagte Philip.
    Griffiths Liebe verstand er gut genug, denn er versetzte sich an Griffiths Stelle, sah mit seinen Augen, berührte mit seinen Händen; er konnte sich in Griffiths Körper hineindenken; er küsste sie mit dessen Lippen, lächelte ihr mit seinen blauen Augen zu. Was ihn aber überraschte, war ihr Gefühl. Er hatte nie geglaubt, dass sie überhaupt solcher Leidenschaftlichkeit fähig wäre, und das hier war Leidenschaft, da gab es keinen Zweifel. Er spürte, wie irgendetwas in seinem Herzen zerbrach, und er fühlte sich seltsam schwach.
    »Ich möchte dich nicht unglücklich machen. Du brauchst nicht mit mir zu kommen, wenn du nicht magst. Ich gebe dir das Geld auch so.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Nein, ich habe gesagt, ich komme, und ich komme auch.«
    »Was nützt es denn, wenn du krank bist vor Liebe zu ihm.«
    »Ja, das ist das richtige Wort. Ich bin krank vor Liebe. Ich weiß, es wird nicht lange dauern, genau wie bei ihm; aber gerade jetzt…«
    Sie unterbrach sich und schloss die Augen, als würde sie ohnmächtig. Philip kam ein seltsamer Gedanke, und wie er ihm kam, so sprach er ihn aus, ohne erst darüber nachzudenken.
    »Warum gehst du nicht mit ihm fort?«
    »Wie soll ich das? Du weißt doch, dass wir kein Geld haben.«
    »Ich gebe dir das Geld dazu.«
    »Du?«
    Sie setzte sich auf und sah ihn an. Ihre Augen fingen an zu leuchten; auf ihre Wangen kehrte die Farbe zurück.
    »Es wäre vielleicht das Beste, dass du es hinter dich bringst, und dann kommst

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