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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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Er wusste, sie wollte gern über Griffith sprechen, aber er gab ihr dazu keine Gelegenheit. Er rührte auch nicht an die Tatsache, dass sie ihm vorgestern Abend mit einer fadenscheinigen Ausrede abgesagt hatte. Er war ganz normal, fast ein bisschen unaufmerksam ihr gegenüber; mochte sie denken, dass sie ihm plötzlich gleichgültig geworden sei; er zeigte eine besondere Geschicklichkeit, ihr Kleinigkeiten zu sagen, von denen er wusste, dass sie sie verletzen würden, aber sie waren so unbestimmt, von so subtiler Grausamkeit, dass sie keinen Anstoß daran nehmen konnte. Schließlich stand sie auf.
    »Ich muss jetzt wohl gehen«, sagte sie.
    »Du scheinst ja immer viel zu tun zu haben.«
    Sie hielt ihm die Hand hin; er nahm sie, sagte adieu und öffnete ihr die Tür. Er wusste, wovon sie sprechen wollte, und wusste ebenfalls, dass seine kalte, ironische Art sie eingeschüchtert hatte. Seine Schüchternheit ließ ihn oft so kalt erscheinen, dass er, ohne es zu wollen, Leute verängstigte, und seit er das herausgefunden hatte, war er gelegentlich imstande, es mit Absicht zu tun.
    »Du hast nicht vergessen, was du versprochen hast?«, sagte sie endlich, als er ihr die Tür aufhielt.
    »Was denn?«
    »Wegen des Geldes?«
    »Wie viel willst du haben?«
    Er sprach mit eisiger Sachlichkeit, was seinen Worten einen besonders beleidigenden Ton gab. Mildred wurde ganz rot. Er wusste, dass sie ihn in diesem Augenblick hasste, und er staunte über ihre Selbstbeherrschung, die sie davon zurückhielt, auf ihn loszustürmen. Er wollte, dass sie litt.
    »Für das Kleid und dann für die Miete morgen. Das ist alles. Harry kommt nicht; wir brauchen also kein Geld dafür.«
    Philips Herz klopfte ihm dröhnend gegen die Rippen, und er ließ die Türklinke los. Die Tür fiel zu.
    »Wieso nicht?«
    »Er sagt, das könnten wir nicht. Nicht von deinem Geld.«
    Ein Teufel ritt Philip, ein Teufel der Selbstquälerei, der immer in ihm lauerte, und obwohl er von ganzem Herzen wünschte, dass Griffith und Mildred nicht zusammen wegfahren würden, konnte er nicht widerstehen: Er machte sich daran, Griffith über Mildred dazu zu überreden.
    »Ich sehe nicht ein, warum nicht, wenn ich nichts dagegen habe«, sagte er.
    »Das habe ich ihm auch gesagt.«
    »Man könnte meinen, dass er nicht zögern würde, falls er wirklich wegfahren wollte.«
    »Ach, das ist es nicht. Er möchte schon. Wenn er das Geld hätte, würde er auf der Stelle fahren.«
    »Wenn er zimperlich ist, gebe ich dir das Geld.«
    »Ich habe ihm gesagt, du würdest es uns leihen, falls ihm das lieber wäre, und wir zahlen es zurück, sobald wir können.«
    »Es ist eine Abwechslung, auf den Knien zu betteln, damit ein Mann übers Wochenende mit dir wegfährt.«
    »Ja, vielleicht«, sagte sie mit einem kurzen, schamlosen Lachen. Philip lief ein kalter Schauer über den Rücken.
    »Was werdet ihr also machen?«, fragte er.
    »Nichts. Er fährt morgen nach Hause. Er muss.«
    Das würde Philips Rettung sein. War Griffith erst aus dem Weg, dann würde er Mildred zurückgewinnen. Sie kannte niemanden in London; sie würde auf seine Gesellschaft angewiesen sein, und wenn sie erst einmal allein wären, so würde er schon dafür sorgen, dass sie ihre Vernarrtheit vergaß. Wenn er nichts weiter sagte, war er gerettet. Aber er hatte einen teuflischen Wunsch, ihre Skrupel zu zerstreuen, er wollte herausfinden, zu welchen Abscheulichkeiten ihm gegenüber sie fähig war; wenn er die beiden noch ein bisschen weiter in Versuchung brachte, würden sie nachgeben, und es lag eine wilde Freude in dem Gedanken an ihre Schmach. Obwohl ihn jedes Wort quälte, das er sagte, fand er doch in diesen Qualen ein grauenhaftes Vergnügen.
    »Also heißt es: jetzt oder nie.«
    »Das habe ich ihm auch gesagt.«
    Es war ein leidenschaftlicher Ton in ihrer Stimme, der Philip beeindruckte. Vor lauter Nervosität kaute er an seinen Fingernägeln.
    »Wo wolltet ihr denn hin?«
    »Ach, nach Oxford. Er war da auf der Uni. Er sagte, er wolle mir die Colleges zeigen.«
    Philip fiel ein, wie er ihr einmal einen Tagesausflug nach Oxford vorgeschlagen hatte und wie sie sich damals entschieden dagegengestemmt hatte, da der bloße Gedanke an Sehenswürdigkeiten sie schon langweilte.
    »Und es sieht aus, als würdet ihr schönes Wetter haben. Es müsste gerade jetzt eigentlich sehr schön dort sein.«
    »Ich habe getan, was ich nur konnte, um ihn zu überreden.«
    »Warum machst du nicht noch einen Versuch?«
    »Soll ich sagen, du

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