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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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nähen und auf ihre Art gesunde Kinder großziehen.« Er wandte sich Sally zu, und um sie über den krassen Gegensatz hinwegzutrösten, fügte er großsprecherisch hinzu: »Auch diejenigen dienen, die nur stehen und warten.«
    Athelny hatte jüngst den Sozialismus zu den anderen gegensätzlichen Theorien hinzugefügt, an die er eifrig glaubte, und stellte nun fest:
    »In einem sozialistischen Staat werden wir ausreichend versorgt, du und ich, Betty.«
    »Ach, sprich nicht von deinen Sozialisten, damit habe ich keine Geduld«, rief Betty. »Das bedeutet nur, dass es sich eine andere Gruppe von Müßiggängern auf Kosten der Arbeiterklasse gutgehen lassen will. Mein Motto ist: Lasst mich in Ruhe. Ich will nicht, dass sich irgendjemand in meine Angelegenheiten mischt, und ich will das Beste aus einer schlimmen Sache machen; und den Letzten beißen die Hunde.«
    »Nennst du das Leben eine schlimme Sache?«, fragte Athelny. »Niemals! Wir haben gute und schlechte Zeiten gehabt, wir hatten manchen Kampf zu bestehen, wir sind stets arm gewesen, aber es hat sich gelohnt, ach ja, hundertfach gelohnt, sage ich, wenn ich mich so im Kreis meiner Kinder umschaue.«
    »Du hast gut reden, Athelny«, sagte sie und sah ihn an; ihr Gesicht zeigte keinen Ärger, sondern eine grimmige Ruhe. »Du hast nur die angenehme Seite vom Kinderkriegen kennengelernt. Ich habe sie ausgetragen, gebären und ertragen müssen. Das soll nicht heißen, dass ich sie nicht liebhabe, wo sie nun einmal da sind, aber wenn ich heute noch einmal jung wäre und von vorn anfangen könnte, dann bliebe ich allein. Wenn ich allein geblieben wäre, hätte ich jetzt vielleicht einen kleinen Laden, vier-, fünfhundert Pfund auf der Bank und ein Mädchen, das die grobe Arbeit für mich täte. Wenn ich noch einmal von vorne anfangen könnte, würde ich alles anders machen, da kannst du dich drauf verlassen.«
    Philip dachte an die unzähligen Millionen Menschen, für die das Leben nur eine endlose Arbeit ist, nicht schön, nicht hässlich, sondern einfach hinzunehmen wie die Jahreszeiten. Ein ohnmächtiger Zorn ergriff ihn, weil alles so sinn- und zwecklos schien. Er konnte sich nicht damit aussöhnen, dass das Leben keinen Sinn hatte, und doch überzeugten ihn seine Erfahrungen und seine Gedanken immer mehr, dass es so war. Aber der Zorn, der ihn ergriff, war fast ein freudiger Zorn. Das Leben verlor seinen Schrecken, wenn es sinnlos war, und er stellte sich ihm mit einem seltsamen Gefühl der Macht.
    109
     
    Aus Herbst wurde Winter. Philip hatte der Haushälterin seines Onkels seine Adresse dagelassen, damit sie ihn auf alle Fälle erreichen konnte. Trotzdem ging er noch immer wöchentlich einmal ins Hospital, falls ein Brief dort sein sollte. Eines Abends sah er auf einem Brief die Handschrift wieder, der er nie mehr zu begegnen gehofft hatte. Ein merkwürdiges Gefühl überkam ihn. Zuerst brachte er es nicht über sich, den Brief mitzunehmen. Ein Schwarm verhasster Erinnerungen stieg in ihm auf. Schließlich aber riss er, unwillig über sich selbst, den Umschlag auf.
     
    7, William Street
Fitzroy Square
Lieber Phil!
Kann ich Dich wohl sobald wie möglich auf ein, zwei Minuten sprechen? Ich bin in großen Schwierigkeiten und weiß nicht, was ich machen soll. Es geht nicht um Geld.
Deine
Mildred
    Er zerriss den Brief in kleine Schnipsel und streute sie, als er auf der Straße stand, in die Dunkelheit.
    »Verflucht! Von wegen hingehen!«, murrte er.
    Der bloße Gedanke, sie wiederzusehen, ekelte ihn an. Es war ihm gleichgültig, ob sie in Schwierigkeiten war oder nicht, es geschah ihr nur recht, egal, was es war; er erinnerte sich ihrer nur mit Hass. Ihm graute, wenn er an seine frühere Liebe zu ihr dachte. Als er über die Themse ging, rannte er regelrecht, wie um dem Gedanken an sie zu entkommen. Er ging zu Bett, konnte aber keinen Schlaf finden. Er grübelte darüber nach, was ihr wohl fehlen könnte; er wurde den Gedanken nicht los, dass sie vielleicht krank war und Hunger litt. Sie hätte ihm sicher nicht geschrieben, wenn nicht aus letzter Verzweiflung. Er war wütend auf sich selbst, weil er so schwach war, aber er wusste, er würde keine Ruhe mehr finden, wenn er sie nicht sah. Am nächsten Morgen schrieb er ihr eine Briefkarte und steckte sie auf dem Weg zum Geschäft in den Kasten. Er schrieb, so förmlich und steif es nur ging, sagte nur, dass es ihm leidtäte, dass sie in Verlegenheiten sei. Er würde um sieben heute Abend zu der von ihr angegebenen

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