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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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gefunden, dass du so viel in dem Kind eines anderen Mannes hast sehen können.«
    Nach dem Essen holten sie beim Apotheker die Medizin ab, die Philip ihr verschrieben hatte. Dann kehrten sie in das schäbige Zimmer zurück, und Philip verabreichte ihr die erste Dosis. Sie saßen beieinander, bis Philip zur Harrington Street zurückkehren musste. Er langweilte sich fürchterlich mit ihr.
    Philip ging täglich zu ihr. Sie nahm die Medizin, die er ihr verschrieben hatte, und befolgte seine Anweisungen. Das Ergebnis war so deutlich, dass sie größtes Vertrauen in Philips Fähigkeiten setzte. Mit zunehmender Besserung verlor sich auch ihre Mutlosigkeit. Sie sprach freimütiger.
    »Sobald ich eine Stellung finden kann, bin ich wieder in Ordnung«, sagte sie. »Ich habe meine Lektion gelernt, und sie soll mir eine Lehre sein. Keine Herumtreibereien mehr für mich.«
    Philip fragte sie jedes Mal, wenn er sie sah, ob sie schon Arbeit habe. Sie sagte ihm, er solle sich keine Sorgen machen; sie würde schon etwas finden, sobald sie wolle. Sie hätte verschiedene Eisen im Feuer. Es würde nicht schaden, noch eine oder zwei Wochen zu warten. Das wollte er nicht bestreiten, aber gegen Ende dieser Zeit wurde er hartnäckiger. Darüber lachte sie, jetzt, da sie wieder fröhlicher war, und nannte ihn einen »pingeligen alten Jungen«. Sie erzählte ihm ausführlich von den Leiterinnen, bei denen sie sich um Arbeit in einem Restaurant beworben hatte, was sie gefragt und was sie selbst geantwortet hatte. Es war noch keine konkrete Verabredung getroffen, aber sie war sich sicher, bis zum Beginn der folgenden Woche etwas festmachen zu können. Eile hatte keinen Sinn, und es wäre falsch, etwas anzunehmen, das sich nachher als unpassend herausstellen könnte.
    »Es ist töricht, so etwas zu sagen«, erklärte er ungeduldig. »Du musst nehmen, was sich bietet. Ich kann dir nicht helfen, und dein Geld geht auch einmal zu Ende.«
    »Vorläufig ist noch etwas da, und ich riskiere es eben.«
    Er sah sie scharf an. Drei Wochen waren seit seinem ersten Besuch verstrichen, und sie hatte damals nicht ganz sieben Pfund besessen. Er wurde argwöhnisch. Er erinnerte sich an einige Dinge, die sie gesagt hatte. Ob sie überhaupt schon einen Versuch gemacht hatte, Arbeit zu finden? Vielleicht hatte sie ihn die ganze Zeit über belogen. Höchst seltsam, dass ihr Geld so lange reichen sollte.
    »Wie viel Miete bezahlst du hier?«
    »Ach, die Wirtin ist ganz nett, ganz anders als die meisten; sie wartet, bis ich wieder bezahlen kann.«
    Er schwieg. Sein Verdacht war so grässlich, dass er zögerte. Es hatte keinen Zweck, sie geradewegs zu fragen; sie würde alles leugnen. Wenn er Klarheit haben wollte, musste er selbst der Sache auf den Grund gehen. Gewöhnlich verließ er sie um acht. Er stand auch diesmal mit dem Glockenschlag auf, aber anstatt zur Harrington Street zurückzugehen, stellte er sich an der Ecke des Fitzroy Square auf; von dort aus konnte er jeden sehen, der die William Street entlangkam. Es kam ihm vor, als wartete er endlos. Er glaubte schon, er hätte sie falsch verdächtigt, und wollte gerade seinen Platz aufgeben, als sich die Tür von Nummer sieben öffnete und Mildred herauskam. Er glitt in die Dunkelheit zurück und beobachtete sie, wie sie auf ihn zukam. Sie hatte einen Hut auf, der ganz mit Federn bedeckt war, den er zuvor schon in ihrem Zimmer hatte liegen sehen; auch das Kleid erkannte er wieder; es war viel zu auffällig für die Straße und für die Jahreszeit ganz ungeeignet. Er folgte ihr langsam bis zur Tottenham Court Road, wo sie ihre Schritte verlangsamte. An der Ecke der Oxford Street blieb sie stehen, schaute sich um und ging auf ein Varieté zu. Er holte sie ein und fasste sie am Arm. Er bemerkte, dass sie die Lippen geschminkt und Rouge aufgetragen hatte.
    »Wohin gehst du, Mildred?«
    Sie zuckte beim Klang seiner Stimme zusammen und errötete, wie immer, wenn sie bei einer Lüge ertappt wurde. Dann blitzte die Wut in ihren Augen auf, die er so gut kannte; es war ihr Mittel, sich instinktiv durch Beleidigungen zu verteidigen. Sie sprach aber die Worte, die ihr auf der Zunge lagen, nicht aus.
    »Ach, ich wollte mal ins Varieté gehen. Ich werde ganz verrückt, wenn ich jeden Abend allein zu Hause sitze.«
    Er gab sich nicht erst den Anschein, als glaubte er ihr.
    »Du darfst das nicht tun. Lieber Himmel, hundertmal habe ich dir gesagt, wie gefährlich das ist. Du musst aufhören.«
    »Ach, halt die Klappe«, schrie

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