Der Menschen Hoerigkeit
der Schule kommt immer der dümmere Junge, der lernt, weiter als der klügere Junge, der müßig ist; wenn aber ein kluger Junge lernt – dann legt er solche Ergebnisse vor wie du.«
Philip errötete tief. Er war an Komplimente nicht gewöhnt, und niemand hatte ihm je gesagt, dass er klug sei.
Der Direktor legte seine Hand auf Philips Schulter.
»Du weißt, es ist eine langweilige Arbeit, schwerfälligen Jungen etwas beizubringen, aber wenn man ab und zu die Gelegenheit hat, einen Jungen zu unterrichten, der einem auf halbem Weg entgegenkommt, der die Worte versteht, beinahe bevor man sie ausgesprochen hat, nun, dann ist Lehren die erfreulichste Angelegenheit der Welt.«
Philip schmolz unter dieser Freundlichkeit dahin; er wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass es Mr. Perkins wirklich wichtig war, ob er ging oder blieb. Er war gerührt und ungeheuer geschmeichelt. Es war eine schöne Vorstellung, die Schule ruhmvoll abzuschließen und dann nach Oxford zu gehen: Vor seinen Augen blitzte das Leben auf, das er aus den Gesprächen der Jungen kannte, die für die Fußballspiele zu Besuch kamen, oder aus Briefen von der Universität, die manchmal in den Studierzimmern vorgelesen wurden. Aber er schämte sich. Wie dumm würde er vor sich selbst dastehen, wenn er jetzt nachgab. Wie würde sein Onkel über Mr. Perkins Schlauheit schmunzeln. Es würde vergleichsweise banal sein, die Preise, die schon in Reichweite waren, einfach zu gewinnen, anstatt dramatisch und verächtlich auf sie zu verzichten. Doch nur noch ein bisschen mehr Überredung hätte gefehlt, gerade genug, um seine Selbstachtung zu wahren, und Philip hätte alles getan, was Mr. Perkins wünschte; aber diese widerstreitenden Gefühle waren seinem Gesicht nicht abzulesen; er blickte ruhig und düster vor sich hin.
»Ich kann leider nicht bleiben, Sir«, sagte er.
Wie viele Menschen, die gewohnt sind, die Dinge durch ihren persönlichen Einfluss zu lenken, wurde Mr. Perkins ein wenig ungeduldig, wenn sich seine Macht nicht augenblicklich als wirksam erwies. Er hatte anderes zu tun und war nicht gewillt, noch mehr Zeit an diesen eigensinnigen, unvernünftigen Jungen zu verschwenden.
»Schön, ich habe dir versprochen, dich ziehen zu lassen, und will dir nichts mehr in den Weg legen. Wann geht die Reise los?«
Philips Herz schlug heftig. Die Schlacht war gewonnen, aber er wusste nicht genau, ob er sie im Grunde nicht eigentlich verloren hatte.
»Anfang Mai, Sir«, antwortete er.
»Na, wenn du zurückkommst, musst du uns besuchen.«
Er streckte Philip die Hand hin. Noch ein einziges Wort, und er hätte ihn zur Umkehr bewegen können. Aber er schien die Sache als erledigt anzusehen. Philip verließ das Haus. Seine Schultage waren vorüber, und er war frei; aber die wilde Glückseligkeit, die er sich für diesen Moment vorgestellt hatte, wollte sich nicht einstellen. Langsam schlenderte er durch die Anlagen, und eine tiefe Niedergeschlagenheit erfasste ihn. Er wünschte sich nun, nicht so töricht gewesen zu sein. Mit Freuden wäre er nun geblieben, aber er wusste genau, dass er sich nicht dazu würde durchringen können, vor den Direktor zu treten und seinen Entschluss zu widerrufen. Diese Demütigung hätte er nicht ertragen. Er zweifelte nun, ob er richtig gehandelt hatte. Er war unzufrieden mit sich selbst und mit aller Welt. Und verdrossen fragte er sich, ob man wohl immer, wenn man seinen Willen durchgesetzt hatte, hinterher unglücklich darüber war.
22
Philips Onkel hatte eine alte Freundin, Miss Wilkinson, die in Berlin lebte. Sie war die Tochter eines Geistlichen, und bei ihrem Vater, dem Pfarrer eines Dorfes in Lincolnshire, war Mr. Carey als Kurat angestellt gewesen; als der Pfarrer starb, hatte sich Miss Wilkinson genötigt gesehen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, und hatte verschiedene Gouvernantenstellen in Frankreich und Deutschland angenommen. Sie stand in Briefwechsel mit Mrs. Carey und hatte zwei- oder dreimal ihre Ferien im Pfarrhaus von Blackstable verbracht, wobei sie, wie es bei den seltenen Gästen der Careys üblich war, eine kleine Summe für ihren Unterhalt bezahlte. Als sich herausstellte, dass es bequemer war, Philips Wünschen nachzugeben, als sich ihnen zu widersetzen, schrieb Mrs. Carey an ihre Freundin und bat sie um Rat. Miss Wilkinson empfahl Heidelberg als den geeigneten Ort und das Haus der Frau Professor Erlin als behagliche Unterkunft. Philip konnte dort für dreißig Mark die Woche
Weitere Kostenlose Bücher